(Marl) Im Beisein von rund 150 Gästen wurde heute der Grimme Online Award in Marl verliehen – erstmals im Grimme-Institut. Es war eine geglückte Premiere, nachdem der renommierte Preis für publizistische Qualität im Netz dreiundzwanzigmal „außer Haus“ vergeben wurde.
Nathanael Liminski, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien des Landes Nordrhein-Westfalen und Chef der Staatskanzlei: „Es ist genau das richtige Signal zur richtigen Zeit, dass trotz aller Widrigkeiten der Grimme Online Award jetzt stattfindet. Er ist seit Jahren ein wichtiger Kompass für digitale Qualität. Wenn die digitale Landschaft angesichts von gezielter Desinformation und Aufmerksamkeit raubendem Quatsch für junge Menschen zur hohen See wird, ist ein Preis für verlässliche Qualität und Zusammenhalt stiftende Innovation ein wichtiger Leuchtturm. Vor diesem Hintergrund haben wir als Land Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit dem Team des Grimme-Instituts in die Hände gespuckt, um die Vergabe des Preises in dieser Zeit sicherzustellen. Es passt daher in mehrfacher Hinsicht, dass der Award am Ursprungsort, im Grimme-Institut in Marl, vergeben wird.“
Interimsgeschäftsführer Peter Wenzel: „Ich bin froh, dass wir heute Abend den Grimme Online Award verleihen können. Allein hätten wir das nicht geschafft, und so danke ich allen, die Grimme die Hand gereicht haben – insbesondere dem NRW-Medienminister Nathanael Liminski, den anderen Grimme-Gesellschaftern, dem Landrat des Kreises Recklinghausen Bodo Klimpel sowie weiteren Unterstützer*innen aus dem Umfeld. Und nicht zu vergessen: Ich danke dem Grimme-Team. Auch für dieses Haus gilt: Das Gute daran ist das Gute darin.“
Aus knapp tausend Einreichungen wählte die Jury des Grimme Online Award die acht besten Angebote. Verliehen wurde zum ersten Mal auch ein Sonderpreis „Künstliche Intelligenz“. Und selbstverständlich wurde auch der Gewinner des Publikumsvotings gekürt. Auszeichnungen erhielten Online-Angebote etablierter Medienhäuser, aber auch „kleinere“ Anbieter nutzten ihre Chance, selbst wenn sie vielfach ohne Redaktion und gestalterisch-technischen Support auskommen (müssen). Sie alle konnten die Jury überzeugen durch publizistische Relevanz und Informationstiefe, teils überraschende, immer wieder vielfältige Perspektiven auf unsere Gesellschaft sowie eine vorbildliche, netzspezifische Gestaltung ihrer Angebote.
Durch den Abend führte die Radio- und TV-Moderatorin Anja Backhaus, Laudator*innen an diesem Abend waren Schauspieler Armin Rohde, Stephan Anpalagan, Strategieberater, Journalist, Musiker und in diesem Jahr auch Juryvorsitzender, Marie Lina Smyrek, die als Comedy-Autorin aktiv ist und im vergangenen Jahr mit ihrem TikTok-Kanal „smypathisch“ einen Grimme-Preis gewinnen konnte, Digitalexpertin Schiwa Schlei, Leiterin der Radio-Marken 1Live und Cosmo sowie Dr. Sarah Brasack, stellvertretende Chefredakteurin des „Kölner Stadt-Anzeigers“, die im Juni vergangenen Jahres vom „Medium Magazin“ – gemeinsam mit KStA-Ex-Chefredakteur Carsten Fiedler – in der Kategorie „Chefredaktion Regional“ mit dem ersten Platz ausgezeichnet wurde. Eine weitere Laudatio hielt Landrat Bodo Klimpel für die Stiftung Jüdisches Museum Westfalen, sie wurde 1999 mit Hilfe der Landesregierung NRW gegründet und wird getragen vom Kreis Recklinghausen und weiteren Institutionen.
Peter Wenzel: „Der Grimme Online Award bleibt, was er immer war: eine digitale Momentaufnahme der Welt, in der wir leben. Und Jahr um Jahr können wir uns darauf verlassen, dass seine Jury genau die Angebote auswählt, die unseren Blick auf das lenken, was relevant, berührend und kritisch ist und am Ende auch unserer Demokratie dienlich, die immer digitaler wird.“
„Ein genauerer Blick auf die prämierten Angebote zeigt, […] der Schwerpunkt liegt in diesem Jahr deutlich auf historischen Themen (und ihrer Bedeutung in einer Zeit, in der Gesellschaft und Öffentlichkeit zunehmend von Populismus und menschenfeindlichen Tendenzen geprägt werden)“, heißt es im Bericht aus der Jury.
Zu solchen Angeboten zählt etwa das Verbundprojekt „#LastSeen. Bilder der NS-Deportationen“ diverser namhafter Institutionen – ein Bildatlas, der historische Fotografien der Deportationen von Jüdinnen und Juden, Sinti*zze und Rom*nja sowie kranker und behinderter Menschen aus dem Deutschen Reich von 1938 bis 1945 sammelt. „Die historischen Fotografien aus 33 Orten in Deutschland zeigen nicht nur deportierte Menschen, sondern teils auch Beamte der ‚Sicherheitspolizei‘ oder Zuschauende und geben der alltäglichen Brutalität der Deportationen durch Kartenfunktion und Detailinformationen eine selten erreichte Unmittelbarkeit.“ Außerdem in der Kategorie „Wissen und Bildung“ ausgezeichnet wurde der TikTok-Kanal „keine.erinnerungskultur“ von Susanne Siegert: Sie schaffe es als „Einzelkämpferin“, einen „sehr gegenwartsbezogenen Zugang zu den Verbrechen der Nationalsozialisten“ herzustellen, lobt die Jury.
Ein Preisträger in dieser Kategorie konnte an diesem Abend seinen Preis nicht persönlich entgegennehmen: Der Macher des Instagram-Kanals „Robinga Schnögelrögel“, der Hobbygärtner und „Plantfluencer“ Robin König. Er spricht – häufig in der Kulisse seines eigenen Gartens – über Artenvielfalt und Biodiversität und klärt über das Zusammenspiel von Insekten und Futterpflanzen auf. Und das, so zeigt er mit seinem Angebot, kann auch sehr unterhaltsam sein.
Einen Preis in der Kategorie „Kultur und Unterhaltung“ erhielt das Online-Archiv des Satire-Magazins „Het Onderwater-Cabaret“, das einen Einblick in die Gedankenwelt und den Humor von Curt Bloch ermöglicht, der in der NS-Zeit in den Niederlanden untergetaucht war. „Es sind einzigartige und ironische wie erschreckende Dokumente, die in mühevoller Kleinarbeit auf Initiative seiner Familie online zugänglich gemacht und teils vertont wurden“, so die Jury. Ein weiterer Preis in dieser Kategorie ging an die „Library of Lost Books“ über die Bibliothek der Berliner Hochschule für die Wissenschaft des Judentums und ihre geraubten Bücher – „ein vielschichtiges, lehrreiches Angebot, das zahlreiche Interaktionsmöglichkeiten bietet, allerdings ohne zu überfordern“, so die Jury.
Andere Schwerpunkte finden sich in der Kategorie „Information“. Hier dominieren vorbildliche Recherchen, etwa bei „Europäische Waffen, amerikanische Opfer“: Der Tagesspiegel verfolgt hier in Zusammenarbeit mit dem ZDF Magazin Royale die Wege der bei Mass Shootings in den USA verwendeten Waffen zurück zu Unternehmen in deutschen und österreichischen Kleinstädten. Die Jury hebt hervor: „Das Angebot überzeugte mit seiner visuellen Aufbereitung ebenso wie mit der Idee und Umsetzung.“ Über gleich zwei Preise kann sich in diesem Jahr netzpolitik.org freuen: In der Kategorie Information erhalten sie einen Grimme Online Award für die Podcastreihe „Systemeinstellungen“, in der Kategorie „Spezial“ eine weitere Auszeichnung zusammen mit dem Bayerischen Rundfunk für die „Databroker Files“, „weil hier ein netzspezifisches Thema durch die umfangreiche Analyse eines riesigen Datensatzes anschaulich auf die Ebene einzelner Nutzer*innen heruntergebrochen wurde“, so die Jury.
Zum ersten Mal wurde in diesem Jahr auch ein Sonderpreis „Künstliche Intelligenz“ verliehen, übergeben durch Medienminister Nathanael Liminski. Er ging an den Podcast „In 5 Tagen Mord – Die Krimi-Challenge mit KI“ des Bayerischen Rundfunks (BR 2). „Dieser Podcast beleuchtet das Thema KI aus einer außergewöhnlichen Perspektive“, so Liminski in seiner Laudatio. Fast beiläufig werden Grenzen und ethische Fragen diskutiert, wie etwa: „Darf man die Stimme eines Toten nutzen? Was bedeutet Kreativität einer KI? Was macht Autorenschaft aus? In der letzten Folge entsteht ein professionell anmutendes Krimi-Hörspiel, ein Ergebnis, das sich hören lassen kann, auch wenn hier vor allem der Weg das Ziel war“, so Liminski weiter. Und die Sonderpreis-Jury begründet ihre Entscheidung: „Ein außergewöhnliches Experiment. Zunächst die großartige Idee der Podcast-Macher*innen, das so überaus beliebte Krimi-Genre dafür zu nutzen. Überragend witzig, unterhaltsam und nahbar meistern die Hosts Janina Rock und Christian Schiffer diese Herausforderung und vermitteln fast nebenbei auch Wissen über technologische Grundlagen Künstlicher Intelligenz.“
Weitere Informationen zu Preisträgern und Nominierten, zum Wettbewerb und zur Zusammensetzung der Nominierungskommission und der Jurys finden sich im GOA-Blog und in den sozialen Netzwerken unter:
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Anlässlich der Verleihung ist auch wieder eine Preispublikation in der grimme-Reihe erschienen, die neben den Gewinner*innen und den Nominierten des #GOA24, so der Hashtag in diesem Jahr, einen Magazinteil enthält, der sich mit dem Thema „Künstliche Intelligenz“ auseinandersetzt – als inhaltliche Vertiefung des Sonderpreises.
Auch in diesem Jahr wurden der Wettbewerb und die Preisverleihung zum Grimme Online Award von verschiedenen Partnern unterstützt. Für die finanzielle Basis des Preises sorgte das Land Nordrhein-Westfalen, auch der Kreis Recklinghausen unterstützte den Award finanziell. Die Knappschaft Kliniken übernahm das Catering für die Preisverleihung, fernsehzimmer produzierte die Einspieler, zudem unterstützten die Westenergie AG und weitere Partner die Preisverleihung.