Grimme Online Award 2003

Statement der Nominierungskommission

Konsolidierung statt überbordender Aufbruchsstimmung: Die Angebote der diesjährigen Bewerber um den Grimme Online Award bringen deutlich die immer noch verhaltene Stimmung in der Internet-Branche zum Ausdruck. So ist das redaktionelle und technische Korsett mancher Sites sehr eng geschnürt, und bei nicht wenigen scheint die Zukunft ungewiss. Immerhin sind dazwischen einige freche Ideen zu beobachten. Bei der Beurteilung von über 330 Online-Angeboten konnte die Nominierungskommission in den drei Kategorien des Grimme Online Award denn auch völlig unterschiedliche Entwicklungen ausmachen.

Viele TV-Sender im Internet haben einen Standard erreicht, der zwar der inhaltlichen Qualität der Angebote in hohem Maße entspricht, sie aber auch nicht darüber hinauswachsen lässt. Trotz einer visuell mitunter sehr einseitigen Darbietung konnten vor allem Sites mit einem erkennbar eigenständigem Format die Nominierungskommission überzeugen. Sie sind am ehesten in der Lage, den in der Informationsflut des Internet Umhersurfenden eine willkommene Abwechslung zu bieten und damit auch für gesteigerte Aufmerksamkeit zu sorgen. Bestes Beispiel dafür ist "Brennpunkt China", das stellvertretend für das Gesamtkonzept der Arte-Dossiers nominiert wurde. Eines ist aber allen TV-Sendern gemein: Sie halten sich ebenso wie auch die anderen medialen Darstellungsformen an die Trends, die der Rezipient vorgibt. Insbesondere wenn es um Wissensvermittlung geht, ist das Internet in seiner Interaktivität nicht nur das optimale Medium, es setzt auch eine allgemein zu beobachtende Entwicklung hin zu mehr Wissensinhalten kontinuierlich fort. Vor allem Sites zu Wissenschaftssendungen haben hier inzwischen beachtliche Angebote vorzuweisen.

Den meisten Spaß beim Sichten, Diskutieren und Bewerten machte der Nominierungskommission die Kategorie Web-Media. Hier sind nicht nur Fortschritte zu beobachten, sondern auch sehr viel Mut sich auf neue Ideen einzulassen. Die Nominierungskommission bedauert insbesondere, das interaktive Theaterprojekt Akushinn und das ungewöhnliche Online/Reise-Konzept 10000miles.de in diesem Jahr nicht nominieren zu können. Zum Ablauf der Vorschlagsfrist waren die beiden Sites leider noch nicht vollständig realisiert. Auffallend ist auch, dass viele Angebote an einer unzulänglichen Umsetzung von Audio- und Video-Inhalten scheitern, deren Nutzung noch immer eine versierte Kenntnis der aktuellen technischen Möglichkeiten voraussetzt. Nur dann ist für aufregende Ton- und Kamerafahrten am PC gesorgt. Hier haben die von Designagenturen umgesetzten Werbeauftritte derzeit noch die Nase vorn.

In der dritten Kategorie des Grimme Online Award, dem Medien-Journalismus, ist - bedingt durch den starken Selbstbezug des Internet und die schwierige wirtschaftliche Situation - ein tendenziell nachlassendes Interesse zu beobachten. Wenngleich neue Formate, etwa die so genannten Weblogs, noch keine signifikante Größe im deutschsprachigen Internet darstellen, regt die Nominierungskommission an, derartige Entwicklungen im Auge zu behalten und den Grimme Online Award bei Bedarf um neue Kategorien des Online-Journalismus zu ergänzen.