Nirgendwo sind Experimentierfreude und Aufbruchstimmung derzeit deutlicher zu spüren als im Bereich Online-Video: Mit eigenen Inhalten, guten Konzepten, gelungener Einbindung und nutzerfreundlicher Erschließung stellen viele neue Anbieter die jahrzehntelange Dominanz von Fernsehsendern bei Bewegtbildern in Frage. Auch wenn das Niveau der Inhalte erheblich schwankt, so ist doch unübersehbar, wie massiv inzwischen Ressourcen in den Video-Sektor verlagert werden. Die Suche nach spannenden neuen Formen ist in vollem Gange, die Ergebnisse sind viel versprechend.
Während sich bei Online-Videos erst langsam Standards herausbilden, sind Weblogs mittlerweile eine feste Größe: Wo in den vergangenen Jahren einzelne Pioniere hervorstachen, ist gerade bei populären Themen das Angebot ergiebiger geworden. Die Vielfalt fasziniert: Gruppen-Weblogs zu Randthemen funktionieren ebenso wie akribisch geführte Themenblogs, in denen einzelne Autoren ihr Fachgebiet kompetent und hartnäckig begleiten. Letzteres geschieht etwa beim "NPD-Blog" mit bemerkenswertem persönlichen Engagement.
Haben sich Weblogs als publizistische Form auch etabliert, so bleibt ihre Zugänglichkeit oft ein Problem: Hohe Selbstreferenzialität, Insider-Sprache und oft fehlende thematische Strukturierung verlangen vom Leser viel, bisweilen zu viel Durchhaltevermögen. Wie spannend auf den einzelnen Nutzer zugeschnittene Online-Angebote sein können, zeigt "Last.fm", das aus eigenen Musik-Vorlieben ein persönliches Radioprogramm fertigt. Mit der Nominierung, die über die bestehenden Kategorien hinausweist, stellen wir die Frage, wie sich solche neuen, privat-öffentlichen Formen im Netz noch mit einem engen Verständnis von Publizistik vertragen. Eine Alternative zum herkömmlich veröffentlichen Radio sind solche Plattformen allemal.
Noch stärker als im vergangenen Jahr zeigt sich, dass Community und User-Interaktion selbstverständliche Bestandteile eines zeitgemäßen Online-Angebots sind. Das junge Onlinemagazin "Fudder" aus Freiburg ist auf regionaler Ebene ein gelungenes Beispiel für diese neue, erweiterte Definition von Online-Journalismus: Kommunikation auf Augenhöhe – nicht von oben herab. Dass öffentlich-rechtliche Online-Angebote, denen eine besondere Verantwortung zufällt, gesellschaftlichen Diskurs und Debatte zu ermöglichen, hier übervorsichtig und zögerlich agieren, erstaunt besonders.
Wir bedauern, dass viele Online-Angebote auf Experimente verzichten und stattdessen lieber auf Nummer sicher gehen. Es wäre leicht, neue Tools und Darstellungsformen zu integrieren – kostengünstige und problemlos zu realisierende Lösungen, etwa für interaktive Karten oder Foto-Audio-Reportagen, sind in erschöpfender Vielfalt vorhanden.
Eine gute Idee für eine Geschichte, eine klare grafische Gestaltung und eine gelungene Integration von Video und Text: Mit diesen Mitteln lässt sich auch ein Thema wie Globalisierung bestens veranschaulichen, wie etwa das nominierte ZDF-Special "Weihnachten global" belegt. Als wenig zielführend erscheint es dagegen, aufwendige Animationen für pompös gehaltene Intros zu Online-Specials einzusetzen. Viel sinnvoller als solcher 'Eye Candy' sind Animationen immer dort, wo komplexe Sachverhalte verständlich visualisiert werden müssten. Leider wird diese multimediale Form der Infografik aber von fast allen Online-Angeboten noch völlig vernachlässigt.
Was eine durchdachte Navigation leisten kann, zeigt beispielsweise das "migration-audio-archiv", das Audio-Interviews über einzelne Segmente und gemeinsame Themen erschließt: Damit wird im Netz aus einer bloßen Sammlung von Gesprächen eine zugängliche akustische Fundgrube.
Auffallend ist andererseits, wie viele Online-Angebote selbst elementare Regeln der Usability missachten und dadurch einen sonst durchaus positiven Gesamteindruck trüben. Typische Beispiele sind Websites, die Inhalte nicht durch die Augen der Nutzer strukturieren, Highlights verstecken, unleserliche Schriftgrößen verwenden und Web-Standards missachten. Es wäre ein großer Fehler, die Nutzbarkeit eines Online-Angebots als Kür, nicht als Pflichtprogramm zu sehen. Noch dringlicher sind solche Überlegungen bei Websites für Kinder. Intelligente, altersgerechte Inhalte in altersgerechter Präsentation sind hier traurigerweise Mangelware.