Grimme Online Award 2024

Die Preisträger

PUBLIKUMSPREIS

Sonderpreis „Künstliche Intelligenz"



Preisträger des Grimme Online Award INFORMATION



Europäische Waffen, amerikanische Opfer

 
Screenshot Webseite "Europäische Waffen, amerikanische Opfer"

Preis verliehen an das Team für die Idee, Datenrecherche und Datenvisualisierung

Internetadresse: tagesspiegel.de/todauseuropa

Anbieter: Verlag Der Tagesspiegel (in Zusammenarbeit mit dem ZDF Magazin Royale)

Idee: Daniel Erk

Projektkoordination: Daniel Erk, Hendrik Lehmann, Dennis Pohl

Autor*innen: Daniel Erk, Alexander Forsthofer, Moritz Matzner, Dennis Pohl,
Juliane Schäuble

Produktion und Redaktion: Nina Breher, Cornelius Dieckmann, Daniel Erk,
Hendrik Lehmann, Dennis Pohl, Lars von Törne, Helena Wittlich – Annelie Naumann, Finn Starken, Toni Stille (ZDF Magazin Royale)

Recherche und Analyse: Alexander Forsthofer, Moritz Matzner, Helena Wittlich

Fotoredaktion: Julia Brigasky

Gestaltung: Lennart Tröbs

Webentwicklung: Eric Beltermann, Tamara Flemisch, Kirk Jackson

Begründung der Jury: Die Recherche „Europäische Waffen, amerikanische Opfer“ als Kooperation des Tagesspiegel und des ZDF Magazin Royale beleuchtet ein Thema, dessen Ursprung vor unserer Haustür liegt, dessen traurige Entfaltung aber jenseits des Atlantiks stattfindet: die Bedeutung europäischer Waffenkonzerne für den US-amerikanischen Waffenmarkt. Deutsche Produkte spielen eine maßgebliche Rolle für die jährlich über 40.000 Todesopfer, die durch die Verwendung von Schusswaffen zu beklagen sind. Das Kooperations-Projekt von Tageszeitung und Fernsehsendung hebt sich durch seine gründliche Dokumentenanalyse, die Einbindung von Experten- und Insiderwissen sowie durch Interviews mit Überlebenden so genannter Mass Shootings hervor. Besonders gelungen ist die tiefgehende Auseinandersetzung mit den kulturellen und wirtschaftlichen Verflechtungen, die den US-Waffenkult mit den europäischen Profiteuren verbinden. Und das sind Unternehmen, deren Sitz auch in der deutschen Provinz nur wenigen bewusst ist. Die Jury würdigt die Datenrecherche und die visuell ansprechende Aufbereitung in einem umfangreichen Dossier, das den Nutzer*innen in acht Kapiteln einen strukturierten Zugang zum komplexen Thema ermöglicht. Die grafische Darstellung der Daten ist ein herausragendes Beispiel für den gelungenen Einsatz digitaler Tools im Journalismus: Komplexe Zusammenhänge werden zugänglich gemacht, ohne zu simplifizieren. Die Recherche zeigt eindrucksvoll, dass Waffenhandel nicht nur ein US-Problem ist, sondern auch Europa eine ethische Verantwortung trägt. Und stellt die Frage: Welchen Preis bezahlen wir unbewusst für unseren hiesigen Wohlstand? „Europäische Waffen, amerikanische Opfer“ schließt eine Wissenslücke, schafft Bewusstsein für die globalen Auswirkungen von Waffenexporten und trägt zur Aufklärung und gesellschaftlichen Debatte über Waffenerwerb und
-besitz bei.

Beschreibung: Mehr als 40.000 Menschen sterben in den Vereinigten Staaten jedes Jahr durch Schusswaffen – eine Tragödie, die für europäische Waffenkonzerne einen Milliardenmarkt bietet. Ein Team von Tagesspiegel und ZDF Magazin Royale hat Dokumente ausgewertet, Daten erhoben, Experten und Insider befragt und Überlebende von US-Massakern interviewt. Entstanden ist ein umfangreiches Dossier, das sich in acht Kapiteln dem US-Waffenkult und seinen europäischen Profiteuren widmet, eingeleitet durch eine visuell ansprechende grafische Aufbereitung der recherchierten Daten.

 
 



Systemeinstellungen

 
Screenshot Webseite "Systemeinstellungen"

Preis verliehen für Redaktion und Produktion

Internetadresse: netzpolitik.org/systemeinstellungen/

Anbieter: netzpolitik.org

Host, Produktion: Serafin Dinges

Redaktion: Anna Biselli, Ingo Dachwitz, Chris Köver, Sebastian Meineck

Cover-Design: Lea Binsfeld

Titelmusik: Daniel Laufer

Begründung der Jury: Die Podcastreihe „Systemeinstellungen“ von netzpolitik.org  schafft den Spagat, ein hochgradig technisches Thema mit relevanten gesellschaftlichen und politischen Fragen zu verbinden. Schon der Titel „Systemeinstellungen“ ist ein Wortspiel. Das System, von dem hier die Rede ist, ist unser gesellschaftliches, kulturelles und politisches System. Das Wortspiel ist mit Bedacht gewählt und setzt sich in einzelnen Episoden fort, wenn beispielsweise von „Link-Extremismus“ die Rede ist. Die kluge Erzählweise des Podcasts paart sich dabei mit außergewöhnlichen Protagonistinnen und Protagonisten, die ihren jeweiligen Fall anschaulich schildern und somit auf die grundsätzlichen Probleme staatlichen Machtmissbrauchs im Umgang mit progressiven Positionen aufmerksam machen. Wer die einzelnen Fälle aufmerksam verfolgt, erschrickt und zweifelt bisweilen an der Rechtsstaatlichkeit der darin erwähnten Akteure und ihrer Maßnahmen. Die Auswahl der Fälle ist dabei vielfältig und abwechslungsreich, alle Episoden sind mit viel Liebe zum Detail gestaltet: So werden im Netz nicht nur zahlreiche Zusatzinformationen zu jeder Episode gegeben, sondern auch die Möglichkeit zur Kommentierung, wovon auch Gebrauch gemacht wird – diese Podcastreihe „ist“ Social Media und nicht einfach ein ins Netz gestellter Audiofile. Die „Systemeinstellungen“ schaffen es dabei inhaltlich immer wieder, die Relevanz von technischer Überwachung, den Umgang mit Geflüchteten sowie das Mittel der Hausdurchsuchungen als repressives Mittel der Sicherheitsbehörden in ihrer teils grenzüberschreitenden Absurdität darzustellen. Während viele der Beispiele in einzelnen Expertenkreisen bekannt waren, zeichnet netzpolitik.org mit den „Systemeinstellungen“ noch einmal das „big picture“ über die Paradoxien unseres Rechtsstaates und erschließt sie für den Mainstream. Deutlich wird: In einer Zeit, in der politische Extremisten auf dem Vormarsch sind, verfolgt der Staat mit einer bisweilen erschreckenden Unerbittlichkeit Klima-Aktivsten und Pfarrerinnen, die sich für Geflüchtete einsetzen. Unabhängig der eigenen politischen Verortung, müssen diese Exzesse öffentlich gemacht, aufgearbeitet und publizistisch sowie strafrechtlich verfolgt werden, wenn notwendig. Ein erster Schritt dafür ist dieser Podcast. Daher verdienen die „Systemeinstellungen“ zurecht einen Grimme Online Award 2024.“

Beschreibung: Der siebenteilige, netztauglich aufbereitete Doku-Podcast „Systemeinstellungen“ von netzpolitik.org erzählt Geschichten von Menschen, die unvermittelt ins Visier des Staates geraten. Es geht um Durchsuchungen von Wohnungen, Smartphones und Computern, um erschüttertes Vertrauen und Ohnmacht. Wie weit darf der Staat gehen? Wer trägt die Verantwortung, wenn er Grenzen überschreitet? Und sind das eigentlich noch Fehler im System oder hat es System, dass bestimmte Menschen schneller kriminalisiert werden als andere?

 
 



Preisträger des Grimme Online Award WISSEN und BILDUNG



#LastSeen. Bilder der NS-Deportationen

 
Screenshot Webseite "#LastSeen. Bilder der NS-Deportationen"

Preis verliehen für Idee/Konzept und Umsetzung

Internetadresse: atlas.lastseen.org

Anbieter: Verbundprojekt #LastSeen c/o Freie Universität Berlin

Projektleitung: Alina Bothe (FU Berlin)

Wissenschaftliches Team: Christoph Kreutzmüller, Lisa Paduch (FU Berlin),
Wolf Gruner (USC Dornsife CAGR), Maximilian Strnad (Public History München),
Aya Zarfati (GHWK), Giora Zwilling, Ramona Bräu (Arolsen Archives), Sebastian Schönemann (Gedenkstätte Hadamar)

Programmierung, technische Umsetzung: Alexander Dohr, Jana Klostermann (&why)

Ein Kooperationsprojekt von Arolsen Archives, Gedenkstätte Hadamar, Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz, Public History München, Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg, USC Dornsife Center for Advanced Genocide Research.

Begründung der Jury: Das Projekt „#Last-Seen. Bilder der NS-Deportationen“ beeindruckt durch seine faktenbasierte Aufarbeitung der Deportationen während der NS-Zeit. Im Zentrum stehen die Menschen, die aufgrund ihrer jüdischen Herkunft, ihrer Zugehörigkeit zu den Sinti*zze und Rom*nja oder durch die NS-Euthanasie-Politik verfolgt und verschleppt wurden. Es gelingt dem Projekt, diese Verbrechen sachlich zu dokumentieren und gleichzeitig die menschlichen Schicksale greifbar zu machen. Auf historischen Fotografien wird die alltägliche Brutalität der Deportationen eindrücklich sichtbar. Der Bildatlas ist das Herzstück des Projekts. Er verbindet Fotografien mit Informationen zu den abgebildeten Personen und Orten. Die Bilder verdeutlichen die systematische Umsetzung der Verbrechen. Das interaktiv durchsuchbare Archiv ist eine wertvolle Ressource für Schüler*innen, Historiker*innen, Lehrende und die Öffentlichkeit, indem es sowohl ein emotionales Verständnis als auch vertiefende Analysen ermöglicht. Ein wesentlicher Aspekt von „#LastSeen“ ist der verantwortungsvolle Umgang mit den Fotografien, die in vielen Fällen von den Tätern selbst aufgenommen wurden und Teil der Gewalt an den Opfern waren. Viele dieser Aufnahmen zeigen die Betroffenen ein letztes Mal vor ihrer Ermordung. Das Projekt fordert daher einen bewussten und kritischen Blick auf diese Dokumente. Digitale Werkzeuge unterstützen die umfassende Erschließung der Fotografien, indem sie nach verschiedenen Kriterien durchsuchbar gemacht und geografisch verortet werden. Auch die oft beschrifteten oder beklebten Rückseiten der Abzüge werden in die Analyse einbezogen. „#Last-Seen“ hat die Jury durch seine wissenschaftliche Präzision, den ethischen Umgang mit den historischen Bilddokumenten und die durchdachte Nutzung digitaler Mittel überzeugt. Das Angebot zeigt eindrucksvoll, wie die Gräueltaten der NS-Zeit durch sorgfältige Forschung und akkurate Aufarbeitung sichtbar gemacht werden können.

Beschreibung: Der Bildatlas „#LastSeen. Bilder der NS-Deportationen“ des gleichnamigen Verbundprojektes stellt historische Fotografien der Deportationen von Jüdinnen und Juden, Sinti*zze und Rom*nja sowie kranken und behinderten Menschen aus dem Deutschen Reich von 1938 bis 1945 dar. Über eine zoombare Karte sind 420 Fotos aus 33 Orten mit weiteren Informationen zugänglich. Entstanden ist eine innovative interaktive Ausstellung, für die fortlaufend Bilder im großen Umfang gesammelt, wissenschaftlich erschlossen, kuratiert und digital veröffentlicht werden.

 

Video: #LastSeen. Bilder der NS-Deportationen

 



keine.erinnerungskultur

 
Screenshot Webseite "keine.erinnerungskultur"

Preis verliehen für Idee und Umsetzung

Internetadresse: tiktok.com/@keine.erinnerungskultur

Gesamtverantwortung: Susanne Siegert

Begründung der Jury: „Das lernst du in der Schule NICHT über Nazi-Verbrechen!“ Mit diesem Satz hat Susanne Siegert ihren Tik-Tok-Kanal „keine.erinnerungskultur“ überschrieben. Aufgewachsen in Bayern, in der Nähe des KZ-Außenlagers Mühldorfer Hart, des größten Außenlagers des KZ Dachau, wird Susanne Siegert bei ihrem ersten Besuch des Lagers klar, dass sie – trotz lokaler Nähe ihres Wohnorts und ihrer Schule dorthin – bis dato nichts davon gehört hatte. Sie beginnt sich in Online-Archiven selbst über die Geschichte des Lagers zu informieren und stellt dabei fest: Die Verbrechen der Nationalsozialisten wurden hier in ungewöhnlicher Detailtreue dokumentiert. Sie teilt das, was sie herausfindet, zunächst über Instagram und dann auf TikTok. Ihren Accountnamen hat sie gewählt, weil die Zielgruppe, an die sich wendet, keine persönliche Erinnerung an die nationalsozialistische Zeit haben kann. Es geht ihr darum, zu zeigen, wie allumfassend die Verbrechen der Nationalsozialisten waren, wie viele Menschen und Orte es betraf und vor allem, wie es zum NS-Regime kommen konnte. Was die Geschichte des Nationalsozialismus mit jungen Menschen zu tun hat, dazu stellt sie immer wieder nachvollziehbare Bezüge zum hier und jetzt her – etwa mit Blick auf den Christopher Street Day, die Olympischen Spiele oder die Verwendung von Nazi-Begriffen in Reality-TV-Sendungen. Susanne Siegert vermittelt dabei nicht nur Wissen über die NS-Zeit, sondern gibt auch Anleitungen, wie man sich selbstständig in Online-Archiven Informationen beschaffen kann. Es gelingt ihr, ihre Inhalte dabei in vorbildlicher Weise an das Format TikTok anzupassen und ihre Informationen und Erkenntnisse fundiert, transparent und nachvollziehbar darzulegen: Auf einer mit Content überladenen Plattform bietet sie mit Wissen und Fakten vollgepackte einminütige Videos, stets unterstützt durch audiovisuelles Material sowie Dokumentenauszüge. Mit ihrem TikTok-Account sorgt sie für ein Bildungsangebot, das es einer jungen Generation ermöglicht, sich mit einer der dunkelsten Phasen der deutschen Geschichte, an die sie selbst keine eigenen Erinnerungen hat, auseinanderzusetzen. Gerne mehr davon!

Beschreibung: Auf ihrem TikTok-Kanal „keine.erinnerungskultur“ klärt Susanne Siegert über die Verbrechen der Nazis im und vor dem Zweiten Weltkrieg auf und macht deutlich, warum es noch heute so wichtig ist, sich mit den Geschehnissen auseinanderzusetzen. Einprägsam sind auch die Gespräche, die sie mit der jüdischen Holocaust-Überlebenden Renate Aris aus Chemnitz führt. Über 190.000 Menschen folgen ihrem Account, einem Gegengewicht zu Fake News und Hetze und ein Beweis dafür, dass auch anspruchsvolle Themen wie die NS-Zeit auf TikTok erfolgreich umgesetzt werden können.

 
 



Robinga Schnögelrögel

 
Screenshot Instagram "@robinga_schnoegelroegel"

Preis verliehen für Idee und Umsetzung

Internetadresse: instagram.com/robinga_schnoegelroegel

Gesamtverantwortung: Robin König

Begründung der Jury: „Wenn nur ein 17-Jähriger zu seinen Eltern geht und sagt, dass er auf Instagram den Spitzwegerich kennengelernt hat und ihn pflanzen möchte, allein dafür möchte ich einen Grimme Online Award verleihen.“ Diese Aussage eines Mitglieds der diesjährigen GOA-Jury fasst im Grunde perfekt zusammen, warum der Instagram-Auftritt von Robin König alias „Robinga Schnögelrögel“ preiswürdig ist. Seine Leidenschaft für die Natur überträgt sich auch auf die Nutzer*innen, die selbst nie geahnt hätten, dass sie sich für Pflanzen, Gärten und Artenvielfalt interessieren könnten. König überzeugt mit kurzen, launigen Videos, die gleichermaßen lustig und informativ sind. Obwohl es beim Thema Artenschutz aktuell nur selten positive Schlagzeilen gibt, droht er nie, sich dem Weltschmerz hinzugeben. Stattdessen bleibt er stets konstruktiv und verleiht seinen Zuschauer*innen mit kritischen Einordnungen und praxisnahen Tipps eine Form von Selbstwirksamkeit: Jede und jeder kann in seiner hyperlokalen Umgebung, also dem eigenen Garten oder dem eigenen Balkon, etwas zur Artenvielfalt beitragen und so Stück für Stück auch global etwas verbessern. König präsentiert sein umfassendes Wissen über Pflanzen auf eine unnachahmliche Art, mit Mut zu Witz, Emotion und einer nerdigen Schnodderigkeit, die immer authentisch, aber nie peinlich ist und sich vor allem immer treu bleibt. Durch eine klare inhaltliche Strategie, feste Formate wie „Pflanzen, die ich hasse“ oder „Pflanzen, die ich liebe“ und eine mitreißende Präsentation auf der Plattform Instagram ist „Robinga Schnögelrögel“ ein herausragendes und vor allem preiswürdiges Beispiel für Online-Publizistik im Jahr 2024.

Beschreibung: Hinter dem Instagram-Kanal „Robinga Schnögelrögel“ verbirgt sich der Hobbygärtner und „Plantfluencer“ Robin König. Er spricht – häufig in der Kulisse seines eigenen Gartens – über Artenvielfalt und Biodiversität und klärt über das Zusammenspiel von Insekten und Futterpflanzen auf. Mit fachlicher Kompetenz und bisweilen auch deutlicher Kritik – beispielsweise an vorgefertigten Insektenhotels – gibt er mit schnellen und umgangssprachlichen Formulierungen Tipps für das insektenfreundliche Gärtnern und vermittelt auf unterhaltsame Art und Weise Fachwissen.

 
 



Preisträger des Grimme Online Award KULTUR und UNTERHALTUNG



Curt Bloch und „Het Onderwater-Cabaret“

 
Screenshot Webseite "Curt Bloch und 'Het Onderwater-Cabaret'"

Preis verliehen für Idee und Umsetzung

Internetadresse: curt-bloch.com

Anbieter: Q Kreativgesellschaft

Idee: Ruth Bloch, Simone Bloch (Witwe und Tochter von Curt Bloch),
Thilo von Debschitz

Projektleitung, Recherche, Redaktion, Transkription: Thilo von Debschitz

Gestaltung: Tim Siegert

Programmierung: Normen Beck, Markus Reweland, Mathias Schaab

Sprecher*innen: Iris Atzwanger, Barbara Auer, Bibana Beglau, Ruth Bloch,
Simone Bloch, Kornelia Boje, Irene Butter, Arne Dechow, Robert Dölle,
Raphael Dwinger, Richard Gonlag, Thomas Gsella, Arno Hermer, Ilari Hoevenaars,
Sjors Houkes, Ralph Jacob, Jacques Klöters, Pit Knorr, Klaus Köhler, Andreas Krämer, Gordon Piedesack, Carry Polak, Louis Polak, Max Raabe, Andreas Rebers, Vanessa Remy, Markus Scheumann, Volker Schlöndorff, Dame Stephanie Shirley, Georg Stefan Troller, Sybille Weiser, Oliver Wronka sowie ehrenamtliche Übersetzer*innen aus aller Welt

Begründung der Jury: Curt Bloch unterhält sein Publikum mit einem hochinteressanten Wochenmagazin: Mit kreativ gestalteten Titeln, poetischen Texten und feinsinnigen Beobachtungen zur politischen Lage. Aber nicht von einer großbürgerlichen Wohnung in Deutschland aus, sondern von einem engen Versteck in seinem Exil in den Niederlanden, wo er Schutz vor den deutschen Besatzern sucht. Es ist preiswürdig, dass „Het Onderwater-Cabaret“ diese Kleinode der Publizistik im Untergrund erschließt. Hier wird eine besondere Facette jüdischen Lebens unter deutscher Verfolgung sichtbar, in der Menschen trotz widrigster Umstände ihre Würde bewahren. Die sorgfältig gestaltete und gut strukturierte Website macht es leicht, in dieses Angebot einzutauchen. Das zurückhaltende Design lässt alle Ausgaben des Magazins glänzen. Gleichzeitig ermöglicht die Website ihren Nutzer*innen vielfältige Zugriffsmöglichkeiten auf Curt Blochs Œuvre: Neben den Faksimiles der Originalausgaben werden alle Texte separat dargestellt. Mit viel Empathie eingesprochene Audiobeiträge lassen ausgewählte Inhalte besonders lebendig werden. Alle Texte sind auch als niederländische Originalversionen verfügbar, was dem Angebot eine besondere Authentizität verleiht. Ergänzende Informationen ordnen das kreative Schaffen des jüdischen Exilanten Bloch hervorragend in den historischen Kontext der Besetzung der Niederlande durch Deutschland ein. Über eine Zeitleiste lassen sich so wertvolle Bezüge zwischen dem literarischen Wirken Blochs und den Umständen herstellen, auf die sie sich beziehen. Das kleine Produktionsteam hinter dem Angebot setzt die Werkzeuge des Webs sehr klug ein und schafft ein intuitiv nutzbares Angebot, in dem nichts überflüssig erscheint. So entsteht ein außergewöhnlicher Einblick in das Werk eines Menschen, der Terror und Barbarei Kunst und Kultur entgegensetzt. Geweldig!

Beschreibung: Als kreative „Beschäftigungsmaßnahme“ produzierte der in den Niederlanden untergetauchte Jude Curt Bloch zum Ende des Zweiten Weltkrieges 96 Ausgaben seines satirischen Printmagazins „Het Onderwater-Cabaret“ („Das Unterwasser-Kabarett“). 492 Gedichte werden nun – achtzig Jahre später – von seiner Tochter Simone Bloch und Gestalter Thilo von Debschitz sowie mit Hilfe zahlreicher Unterstützer*innen in einem digitalen Archiv online verfügbar gemacht – in Bildern und Beschreibungen, teils auch als vorgetragene Audios sowie mit Hintergrundinformationen und Materialien aus Blochs Nachlass.

 
 



Library of Lost Books

 
Screenshot Webseite "Library of Lost Books"

Preis verliehen an das Team für die Gesamtleistung

Internetadresse: libraryoflostbooks.com/de/

Anbieter: Leo Baeck Institute Jerusalem und London, Freunde und Förderer
des Leo Baeck Instituts

Projektverantwortung: Irene Aue-Ben-David, Kinga Bloch, Joseph Cronin,
Jakob Kroneck

Projektkoordination: Bettina Farack; Projektleitung: Toby Mory (navos create/Goldener Westen)

Projektkonzeption, Projektmanagement: Emanuel Arndt, Francesca La Vigna (navos create)

Leitung Text, Konzeption: Regine Hähnel, Angela Schulz zur Wiesch (navos create)

Leitung Gestaltung: Angela Schulz zur Wiesch (navos create)

Gestaltung: Patrick Wagner, Jacopo Perico, Simone Tölle, (navos create)

Illustrationen: Karolin Nusa, Dilara Schneider (navos create)

Programmierung: Harun Bašić, Mykola Chernyshevskyi, Gülriz Egilmez, Manos Menexis,
Eugene Poltoratskyi, Veton Siqani (bleech)

Leitung Motion Design: Leo Rey (navos create), Meng Chang

Motion Design: Long Huy Dao, Patrick Wolter (navos create)

UX Design: Felix Dorner

UX Beratung: Arne Keunecke (navos create)

Sounddesign, Komposition: Uwe Bossenz

Sprachaufnahme: Nikolaus Radeke

Sprecher: Ulrich Blöcher, Michael Chadim, Paul Herzberg, Ofir Tal

Begründung der Jury: Die „Library of Lost Books“ eröffnet einen digitalen Raum, der einen Teil deutsch-jüdischer Geschichte erlebbar macht, der so fast nie gezeigt wird. Sie ist damit viel mehr als ein Online-Archiv. Im Mittelpunkt stehen die Menschen an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums: ihr Widerstand, ihre Solidarität, ihre Modernität und Aufgeklärtheit – und ihre Bibliothek. Die Darstellung erfolgt in drei Kapiteln, wobei jeder Abschnitt eine einzigartige Perspektive eröffnet. Die Scrollytelling-Website leitet die Nutzenden durch die Hochschule – die Bild- und Tonelemente ermöglichen hierbei einen besonderen Zugang, die Erzähldramaturgie überzeugt. Großartiges Bildmaterial und Animationen, darunter sich bewegende Bücher, Menschen, die im Lesesaal tanzen, oder Kerzen, die beim Scrollen niederbrennen, verleihen der „Library of Lost Books“ dabei eine außergewöhnliche Dynamik und Tiefe in der Darstellung. Ebenso außergewöhnlich in ihrer Qualität und Bedeutung sind die dargestellten Inhalte, die einen besonderen Einblick in jüdisches Leben ermöglichen, abseits von traditionellen und stereotypen Vorstellungen: Exemplarisch seien hier die erste Generation professioneller Bibliothekar*innen in Deutschland sowie die Offenheit der Hochschule genannt, an der sich Studierende zu Rabbiner*innen ausbilden lassen konnten, unabhängig von Religion oder Geschlecht. Die besondere Interaktivität, die Möglichkeit, sich selbst auf die Suche nach den verlorenen Büchern zu begeben, die von den Nazis geraubt wurden oder in der Nachkriegszeit verloren gingen, fesselt und involviert die Nutzenden noch viel stärker in die Geschichte dieses außergewöhnlichen Ortes. Vergangenheit und Gegenwart verbinden und beziehen sich aufeinander – wie das NS-Unrecht bis in die Gegenwart hineinwirkt, das zeigt dieses Citizen-Science-Projekt.

Beschreibung: Die „Library of Lost Books“ ist eine Multimedia-Website der Leo Baeck Institute Jerusalem und London sowie der Freunde und Förderer des Instituts. In drei Kapiteln mit Animationen und Audios stellt sie die wechselvolle Geschichte der Bibliothek der Berliner Hochschule für die Wissenschaft des Judentums vor – vom Raub der Bücher durch die Nationalsozialisten bis hin zur Zerstreuung der Überreste der Bibliothek in der Nachkriegszeit. Zeitdokumente, eine Anleitung zur Büchersuche und eine virtuelle Bibliothek ergänzen das Angebot.

 
 



Preisträger des Grimme Online Award SPEZIAL



netzpolitik.org und BR für die Databroker-Files-Recherche

 
Screenshot Webseite "Databroker-Files-Recherche von netzpolitik.org und BR"

Preis verliehen an das Team für die Gesamtleistung

Internetadresse: netzpolitik.org/2024/databroker-files-die-grosse-datenhaendler-recherche-im-ueberblick/

Anbieter: netzpolitik.org, Bayerischer Rundfunk (BR)

Team netzpolitik.org: Ingo Dachwitz, Sebastian Meineck

Team BR: Eva Achinger, Katharina Brunner, Rebecca Ciesielski, Maximilian Zierer, Robert Schöffel

Begründung der Jury: Geolokalisierung ist eine tolle Sache: Sofort wissen, wie das Wetter in der Gegend ist, schnell den Weg finden, wenn man sich verlaufen hat, relevante Inhalte nur für den Ort, in dem man wohnt. netzpolitik.org und BR zeigen in ihrer Recherche die Schattenseiten einer Technologie auf, die tief in unseren digitalen Alltag eingebettet ist und uns immer wieder positive Nutzungserlebnisse beschert. Die Recherche zu den Databroker Files macht in vielfacher Hinsicht deutlich, wie eng Licht und Schatten bei dieser Technologie zusammenliegen. Man ist überrascht zu sehen, wie leicht man an Daten gelangt, die Auskunft über individuelle Bewegungsprofile geben. Man wundert sich, wie viele Informationen schon in der Probedatei eines Informationsdienstleisters stecken, und kann nur erahnen, was die kostenpflichtige Vollversion bieten würde. Man fragt sich, warum dieses Geschäft noch legal ist trotz aller Bemühungen der Europäischen Union, Verbraucher*innen auf digitalen Märkten zu schützen. Und man ist erschrocken darüber, wie leicht es mit einfach zugänglichen Mitteln möglich ist, die Menschen in Sicherheitsbehörden ernsthaft zu gefährden, die den demokratischen Rechtsstaat schützen sollen. Die Recherche deckt so kritische Punkte in einem Kernbereich digitalisierten Lebens auf und stößt damit eine netzpolitische Debatte an, wie diese Probleme politisch und gesellschaftlich bearbeitet werden können, egal, ob es nun um persönliche Routinen, professionellen Schutz vor Terrorismus oder Internet-Regulierung geht. Die Arbeit des Rechercheteams ist dabei sorgfältig und transparent. Die Befunde werden differenziert für unterschiedliche Nutzergruppen aufbereitet. Und es ist nach wie vor lobenswert, dass sich Redaktionen für Projekte zusammenschließen, um spezifische Stärken so zu kombinieren, dass ein herausragendes Ergebnis entsteht.

Beschreibung: Die Databroker Files, recherchiert von netzpolitik.org und BR, zeigen am konkreten Beispiel, wie sich der teils unkontrollierte Datenhandel der Online-Werbeindustrie zu einer Gefahr für den Datenschutz von Millionen von Bürger*innen entwickelt – von Bewegungsprotokollen einzelner Personen bis hin zur Gefährdung der nationalen Sicherheit Deutschlands. Besondere datenjournalistische Aufbereitungen wie das BR-Webspecial „Wohnort, Arbeit, ausspioniert“ erschließen die Recherche für die breite Öffentlichkeit.

 
 



Preisträger des Grimme Online Award PUBLIKUMSPREIS



@tahdur auf TikTok

 
Screenshot TikTok "@tahdur"

Internetadresse: tiktok.com/@tahdur

Gesamtverantwortung: Tahsim Durgun

Beschreibung: Der Sprachstil in Tahsim Durguns TikTok-Videos ist eher nüchtern und trocken und daher oftmals beißend komisch – etwa dann, wenn er über die prekären Konsequenzen der AfD-Politik oder den Alltagsrassismus hierzulande nachdenkt, sich mit seinen Schwestern oder seiner Mutter streitet. Am Ende zeigt sich aber seine große Zuneigung zu den Menschen, die ihn umgeben, und zu seiner Heimat: dem Oldenburger Land. Diese besondere Mixtur und seine große Authentizität machen seinen Kanal „@tahdur“ zu etwas Besonderem auf der Plattform.

 
 

Sonderpreis „Künstliche Intelligenz"



In 5 Tagen Mord – Die Krimi-Challenge mit KI

 
Screenshot Webseite "In 5 Tagen Mord – die Krimi Challenge mit KI"

Internetadresse: www.br.de/mediathek/podcast/in-5-tagenmord- die-krimi-challenge-mit-ki/911

Anbieter: Bayerischer Rundfunk (BR)

Autor*innen: Eva Deinert, Matthias Leitner, Janina Rook, Christian Schiffer

Redaktion: Katarina Agathos, Manuela Baldauf, Till Ottlitz

Projektleitung: Eva Deinert, Matthias Leitner

Regie: Ron Schickler

Produktion: Robin Auld, Winfried Messmer

Sounddesign: Christoph Brandner

Design: Giulia Bochnig, Carina Urban

Mitarbeit: Vanessa Schneider, Julia Rupprich, Carina Müller, Leonard Bittner,
Luca Aschenbrenner, Philipp Gawlick, Christina Fröhlich, Kira Drössler, Kevin Schramm

Weitere Gestaltung: Lena Waldispühl, Tim Hilbrand, Jan Propfe, Hannah Wiesner, Theodor Kossakowski

Distribution: Markus Malich, Laura Selz

Hörspiel: Henriette Schmidt, Veronika von Quast, Angelika Bender, Ulla Geiger,
Martin Feifel, Lisa Jopt, Pirmin Sedlmeir, Franziska Pößl, Mira Huber

Begründung der Jury: „In fünf Tagen Mord – Die Krimi-Challenge mit KI“ ist ein außergewöhnliches Experiment. Hervorzuheben ist zuallererst die großartige Idee der Podcast-Macher*innen, das bei einer enorm breiten Zielgruppe beliebte Krimi-Genre dafür zu nutzen, um das komplexe und darum für manche abschreckende Thema KI zu verhandeln. Überragend witzig, unterhaltsam und nahbar meistern die Hosts Janina Rock und Christian Schiffer ihre Herausforderung und vermitteln fast nebenbei Wissen über technologische Grundlagen Künstlicher Intelligenz oder das KI-Prompting. Ungemein kurzweilig inszeniert, verhandelt das Hörspiel auf der Meta-Ebene hochrelevante Fragen: Was bedeutet Autor*innenschaft im Zeitalter von KI? Welche weitreichenden Folgen hat KI für Kreativberufe? Was sollte die KI unter ethischen Gesichtspunkten nicht dürfen? Der Podcast adressiert explizit niedrigschwellig die große Menge derer, die in Sachen KI noch am Anfang abgeholt werden müssen, und vermittelt sehr konkret einen Eindruck davon, was generative KI kann und welche Schwächen sie (noch) hat. Gleichzeitig feiert der Podcast die menschliche Kreativität, macht die in der Regel verborgenen künstlerischen Schaffensprozesse transparent, auch mithilfe interessanter Expert*innen: Was macht einen guten Krimi aus? Wie entsteht eigentlich ein Radio-Hörspiel? Es gibt bereits mehrere hervorragende publizistische Informations-Angebote zur Entwicklung und zum Einsatz von KI in unterschiedlichen Feldern – die beiden mitnominierten Beiträge sind in diesem Bereich herausragende Beispiele, die die Auszeichnung ebenfalls verdient hätten. Kreative Annäherungen, außergewöhnliche Perspektiven und Wissens-Transfer-Leistungen wie der hier prämierte Podcast sind dagegen noch rar. Die Jury möchte mit ihrer Entscheidung explizit genau dazu ermuntern.

Beschreibung: Künstliche Intelligenz im Praxistest: Comedian Janina Rook und Netzexperte Christian Schiffer stellen sich in dem BR2-Podcast „In 5 Tagen Mord“ der Aufgabe, in kürzester Zeit ein Krimi-Hörspiel im Stile alter Radio-Krimis zu schreiben. Weil sie das noch nie gemacht haben, bekommen sie Hilfe von Krimi-Expert*innen – aber auch von Künstlicher Intelligenz wie ChatGPT. Das Ergebnis ist ein spannender Blick über die Schulter, bei dem die Zuhörer*innen nicht nur gut unterhalten werden, sondern spielerisch und ganz nebenbei viel über KI erfahren.