Der diesjährige Grimme Online Award zeigt ein überraschend eindeutiges Ergebnis: Anders als in den Vorjahren dominieren unter den Preisträgern 2006 die unabhängigen, nicht-institutionellen Anbieter – darunter neue Angebote wie Ehrensenf, aber auch bereits traditionelle Sites wie jetzt.de und Blinde Kuh, die sich durch konsequente Weiterentwicklung auszeichnen.
Die Jury würdigt damit publizistische Angebote im Netz, die auf beeindruckende Weise neue Formen der Informationsvermittlung prägen, einen zeitgemäßen, zukunftsweisenden Beitrag zur Vermittlung relevanter Wissensinhalte liefern oder hochwertige kreative Formen der Unterhaltung entwickeln. Obwohl die ausgezeichneten Websites diesen drei Preiskategorien zugeordnet sind, stehen sie jedoch in Teilen jeweils auch für kategorienübergreifende Elemente. Die Jury trägt damit der Tatsache Rechnung, dass sich Internetangebote immer weniger in feste Schubladen einsortieren lassen.
Zwei Trends ragen 2006 heraus: Die Dynamik der medialen Demokratisierung im Netz und die Entwicklung einer interneteigenen bewegten Bildsprache.
Gerade im Bereich des Bewegtbildes sind dank der immer kostengünstigeren technischen Möglichkeiten neue Formen der Visualisierung entstanden. Die wichtigsten Impulse kommen dabei eindeutig von unabhängigen individuellen Anbietern und engagierten Autoren. Beispiele dafür sind Angebote wie das Internet-Fernsehen „Ehrensenf“, aber auch die TV-Kolumnen mit Toni Mahoni auf “Spreeblick“ oder die multimediale Reisereportage worldtrip.tv.
Sie zeigen eindrucksvoll, dass Bewegtbilder im Internet heute ebenso selbstverständlich eingesetzt werden können wie Fotos und Texte – und zwar von jedermann. Die preisgekrönten Websites 2006 legen beredtes Zeugnis ab, in welche Richtung und mit welcher Rasanz sich eine neue multimediale Kultur im Netz entwickelt und welche Möglichkeiten einer eigenen Mediensprache sich dort bieten, wenn die multimedialen und interaktiven Ressourcen kreativ kombiniert werden.
Bemerkenswert ist zudem die Zunahme von Angeboten wie iRights, die sich mit dem Schattenseiten des Internet wie der Urheberrechtsproblematik und Sicherheitsfragen beschäftigen und die sich um nutzernahe Aufklärung bemühen – und etwa in Angeboten wie der nominierten Musikwebsite Tonspion ihr konstruktives Pendant finden.
Zugleich legt die neue Independent-Entwicklung im Netz ein deutliches Zeugnis ab für die Kraft der kommunikativen Möglichkeiten, im Netz eine Gegenöffentlichkeit zu bilden.
Zahlreiche institutionelle Anbieter wie die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender, aber auch die Webauftritte vieler Printmedien, zeigten zwar im Wettbewerb ein professionell hohes Niveau, insbesondere in ihrer optischen Aufbereitung sowie im Umfang der bereitgestellten Informationen. Denn nicht selten sind Angebote der TV-Sender zeitlich begrenzte Projekte, deren medienpolitisch gewollte Programmbegleitung und durch die Sendungen vorgegebene Themenwahl für den Internetnutzer etwas willkürlich erscheint. Dennoch würde sich die Jury wünschen, wenn auch diese Anbieter mehr der interaktiven und hohen kommunikativen Potenziale im Netz nutzen würden. Gerade angesichts der dynamischen Entwicklung des Internet sind Wagnis und Mut zum Umgang mit onlinespezifischen Präsentations- und Interaktionsformen besonders wichtig und Experimentierfreude und Innovationsmut nach Meinung der Jury unerlässlich für einen vorbildlichen, preiswürdigen Onlineauftritt.
Aus der Jury des Grimme Online Award 2006