„Das Netz gehört allen!“ – lange Zeit sah es so aus, als ob diese Forderung der ersten Onliner durch die publizistischen und ökonomischen Interessen traditioneller Medienanbieter mit deren Online-Auftritten überlagert würde. Aber Zuschreibungen wie Underground und Mainstream funktionieren sowohl in den traditionellen Medien als auch im Web längst nicht mehr. Partizipative Online-Angebote wie Weblogs und Podcasting-Seiten erweitern das mittlerweile „klassische“ Angebotsspektrum des Netzes um Elemente, die mit den Begriffen „Social Software“ oder „Web 2.0“ zusammengefasst werden. Lösen Blogs und Podcasts also Webspecials und Foren ab? Zumindest sind es ergänzende Formen, die viel versprechende Potenziale der kommunikativen Teilhabe bergen und das „neue“ Medium Internet erfährt laufend Transformationen. Aus Sicht der „alten“ Medien werden hier – bislang oft noch testweise – neue Felder betreten und in Teilen wird sogar das „Hausrecht“ abgegeben: Wenn Tageszeitungen ihre Netzauftritte um Weblogs erweitern und die Nutzer zur Kommentierung der Beiträge auffordern, ist nicht immer absehbar, wohin sich Inhalte entwickeln.
Eine der wesentlichen Fragen in der nächsten Zeit wird sein, wie man dem subjektiven Charakter dieser neuen Formen entsprechen und wie ein gemeinsamer Verständigungshorizont bei der Bewertung von Blogs & Co. geschaffen werden kann. Es ist zudem noch nicht entschieden, ob die etablierten Medienakteure die neuen Web-Darstellungsformen lediglich vereinnahmen, um sich eine (vermeintliche) Underground Credibility zu verleihen, oder ihnen tatsächlich eigenständige Räume innerhalb ihres Stamm-Angebots zugestehen. Die Nominierungskommission hält diese Entwicklung für beachtenswert; zeigt sich hier doch, dass im Netz nach wie vor innovative Kommunikationsformen entstehen und in Wechselwirkung mit etablierten treten.
Der dynamischen Entwicklung bei der punktuell vorgenommenen Qualitätsbewertung inhaltlich gerecht zu werden, ist für die Jury nicht immer einfach, wenn – wie beispielsweise bei Weblogs oder (tages-)aktuellen Web-Specials – die Einträge permanent aktualisiert werden und die Tagesform auf die publizistische Qualität Einfluss nimmt. Hier wurde im Zweifelsfall der konzeptionelle Ansatz, Inhalt und Form im Web stimmig zusammenzuführen, bewertet. Ebenso bleibt es für die Nominierungskommission eine Aufgabe und Herausforderung, die inhaltliche Tiefe und Qualität der eingereichten Angebote zu erschließen. Dies gilt insbesondere für die erwähnten neueren Darstellungsformen, die einen starken prozessualen Charakter aufweisen.
Stimmige webspezifische Experimente mit publizistischem Qualitätsanspruch sind im Netz nach wie vor selten. Dies verwundert umso mehr, als dass die Tools zur Erstellung innovativer Netzauftritte stärker verbreitet sind als zuvor. Ebenso hätte sich die Kommission mehr interessante und zeitgemäße Einreichungen aus dem Bereich der Kulturanbieter gewünscht.
Allgemein lässt sich festhalten, dass Inhalte im Web zunehmend umfassender und webaffiner aufbereitet werden – die Verbreitung und Verfügbarkeit entsprechender Technologien und Bandbreiten fördern diesen Trend und lassen multimediale Archive und Enzyklopädien Wirklichkeit werden. Gleichzeitig wird das Spektrum der Web-Formate zunehmend breiter und kann dadurch unterschiedlichste Nutzerinteressen und Teilöffentlichkeiten zielgerecht bedienen.