Newsletter? Das war einmal. Oder? Der Tagesspiegel beweist mit seinem von Chefredakteur Lorenz Maroldt verfassten täglichen Newsletter, dass sich dieses Medium auch in Zeiten sozialer Medien mit Leben füllen lässt.
Maroldt kommentiert süffig die Berliner Politik, legt sich mit Mächtigen an, gibt Tipps zum Tage und hält über aktuelle Entwicklungen in Berlin auf dem Laufenden. Mehr als 80.000 Abonnenten – nicht nur in Berlin – beweisen, dass dieser persönliche Newsletter einen Nerv trifft.
Preis verliehen für Gesamtverantwortung
Internetadresse: checkpoint.tagesspiegel.de (Anmeldung zum Newsletter)
Anbieter: Verlag der Tagesspiegel GmbH
Verantwortliche Person: Lorenz Maroldt (Gesamtverantwortung)
Mitwirkende: Stefanie Golla
Wenn ein passionierter Zeitungsmann (Lorenz Maroldt) für den Einsatz einer 90er-Jahre Technologie (Newsletter) im Jahr 2015 den Grimme Online Award erhält, dann muss es ein besonderes Projekt sein. Und das ist "Checkpoint". Der Newsletter ist eine Morgengabe, die bis in den Abend wirkt. Innerhalb von wenigen Monaten hat sich "Checkpoint" zur Pflichtlektüre entwickelt – für Leser über Berlins Grenzen hinweg, für den Politikbetrieb, aber auch für die digitale Szene, die Zeitungsabos nur noch aus dem Elternhaus kennt.
Knallharte Einordnung trifft Berliner Schnauze. Die großen Nachrichten treffen auf das Lebensgefühl der Berliner. Es geht nicht nur um eine neue Auswahl und Aufbereitung klassischer Nachrichten, sondern auch um Hinweise zum aktuellen Kultur- und Freizeitalltag in Berlin: Ausstellungen, Restaurants, Konzerte, neue Orte. Der Newsletter ist zwar umfangreich und themenbunt, aber seine Einzelteile sind bisweilen schmerzhaft kurz. "Checkpoint" ist Vorbild für die Bewegung der Chefredakteurs-Newsletter und gibt eine Antwort auf die Frage, wie lokaler und vielleicht auch sublokaler Journalismus im Netz aussehen kann.
Die Besonderheiten des Projekts liegen in der Passion und Ansprechhaltung des Absenders, Einordnung der Themen und Begleitung der Leser. In der digitalen Nachrichtenflut wird der Newsletter für die Leser zum verlässlichen Ankerpunkt und ist Begleiter in den neuen Tag. Die Gestaltung ist wild und bunt wie das Leben in Berlin. Mobile Leser könnten bei einer responsiven und übersichtlichen Gestaltung jedoch noch mehr von den Inhalten des "Checkpoint"-Newletters profitieren. Das schmälert das Lob der Jury jedoch in keinster Weise.
Knapp dreihundert Menschen starben beim Absturz des Flugs MH17 über der Ostukraine. War es ein Kriegsverbrechen, das hätte verhindert werden können?
Die Webreportage "MH17" des Recherchebüros CORRECT!V begibt sich auf die Suche nach der Wahrheit. Ergebnis der monatelangen Vor-Ort-Recherche ist eine packend erzählte Geschichte, die geolokalisierte O-Töne, kurze Videosequenzen, Karten und Grafiken sowie einen umfangreichen Text zu einem schlüssigen Ganzen vereint und die von anderen frei verwendet werden darf.
Preis verliehen für Gesamtverantwortung, Recherche, Redaktion und Artdirection
Internetadresse: mh17.correctiv.org
Anbieter: CORRECT!V – Recherchen für die Gesellschaft
Verantwortliche Personen: Marcus Bensmann (Recherche), Julia Brötz (Redaktion), David Crawford (Recherche), Daniel Drepper (Redaktion), Thorsten Franke (Artdirection), Ariel Hauptmeier (Redaktion), Jonathan Sachse (Redaktion), David Schraven (Gesamtverantwortung), Benedict Wermter (Redaktion)
Hartnäckig und mit langem Atem – investigative Journalisten sind Gegenentwürfe zur medialen Aufgeregtheit der Katastrophenberichterstattung und ihrer Liveticker. “MH17 – Die Suche nach der Wahrheit“ ist ein solcher Gegenentwurf: das Ergebnis einer großen Rechercheleistung, perfekt aufbereitet.
MH17 – dieses Kürzel hat sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt: Am 17. Juli 2014 wird der Malaysia Airlines Flug MH17 über der Ostukraine abgeschossen, durchlöchert von einem Hagel aus tödlichen Schrapnells. 298 Menschen sterben. Die Medien veröffentlichen Sonderseiten, senden Extras. Die Frage nach den Schuldigen generiert Spekulationen und gegenseitige Anklagen, aber sie wird nicht beantwortet. Reporter von CORRECT!V nehmen das nicht hin. Mit kriminalistischer Energie sammeln sie Dokumente und Hinweise. Sie reisen ins Katastrophengebiet, das auch Kriegsgebiet ist, und folgen den Spuren der Rakete. Wer das Ergebnis dieser Arbeit betrachtet, wird nicht mit Resultaten konfrontiert, sondern begleitet das Team, sieht, hört und liest mit: Akten, persönliche Eindrücke, Radarspuren, Interviews. Der Beitrag lässt einen nicht los, weil die Texte überzeugend geschrieben, weil die Erkenntnisse packend aufbereitet sind – als animierte Grafik, Graphic Novel, Film, Audio.
Die Jury würdigt dieses Projekt als herausragendes Beispiel für die Verbindung digitaler Erzählmethoden mit klassischen journalistischen Fähigkeiten. Und sie würdigt es als Beispiel für die zahlreichen Beiträge hoher publizistischer Qualität, die das gemeinnützige Recherchebüro CORRECT!V auszeichnen, und die es anderen Medien zur Verfügung stellt.
Kleine und große Geschichten aus dem achten Berliner Bezirk: Ein ehrenamtliches Team aus Neuköllner Kreativen sammelt sie für die Online-Zeitung "neukoellner.net". Getreu dem Motto "Einmal Neuköllner, immer Neuköllner" lässt neukoellner.net den Lokaljournalismus aufleben und erzählt ihn im Internet neu.
So gibt es Stadtspaziergänge und Restauranttests genauso wie Berichte aus dem Obdachlosencafé oder von der Bürgermeisterwahl. Dabei experimentiert das Team mit verschiedenen Formaten und Reihen.
Preis verliehen für Idee und Redaktion
Internetadresse: www.neukoellner.net
Anbieter: NKNET Neukoellner Verlag UG (haftungsbeschränkt)
Verantwortliche Personen: Max Büch (Idee und Redaktion), Fabian Friedmann (Redaktion), Katrin Friedmann (Redaktion), Karolin Korthase (Redaktion), Regina Lechner (Redaktion), Sabrina Markutzyk (Redaktion), Björn Müller (Redaktion), Dominik Sindern (Redaktion), Patrick Schirmer-Sastre (Redaktion), Cara Wuchold (Redaktion)
Mitwirkende: Anna Blattner (Autorenschaft), Esther Borowski (Technische Betreuung), Christopher von Frankenberg (Autorenschaft) , Florence Freitag (Autorenschaft), Philipp Fritz (Autorenschaft) , Anke Hohmeister (Autorenschaft) , Vanessa Janeta (Assistenz Artdirection), Torben Lehning (Autorenschaft), Katharina Pencz (Autorenschaft)
Hyperlokaler Journalismus sucht in Deutschland noch seinen Weg. "neukoellner.net" hat diesen für seinen Stadtteil bereits gefunden. Das Projekt ist uneitel und zeigt wenig Respekt, es steht einfach mitten im Leben – Attribute, die nicht jedes journalistisches Angebot vorweisen kann.
Die Journalisten von "neukoellner.net" bleiben auf Augenhöhe mit den Bewohnern des Viertels, begleiten die Gentrifizierung kritisch und fair zugleich. Explizit zu loben ist die inhaltliche Vielfalt: Es gibt zahlreiche vitale Formate wie "Kiezköpfe“, welche die komplette mediale Klaviatur von Text über Bild und Ton bis hin zum Video angemessen bespielen. Inhaltlich ist das Angebot "kunterbunt“ und "lebendig“ wie der Bezirk. Die Macher korrigieren das zwiespältige Bild Neuköllns und spielen gekonnt mit den vorherrschenden Klischees. Während andere kleinere Medienangebote das Prinzip Zeitung kopieren, lebt "neukoellner.net" das soziale Netz. Die Anbindung über Facebook und Twitter ist hyperaktiv, die Community nutzt die Angebote und bringt die Inhalte zum Leben. Es erzeugt die Wiederbelebung zivilgesellschaftlicher, nachbarschaftlicher Kommunikation – offenbar sogar mit Ausstrahlung auf analoge Begegnungen.
Hinter dem Projekt verbirgt sich eine authentische Bottom-Up-Bewegung – der Graswurzeljournalismus, von dem andere sonst nur reden. Vielleicht ist das sublokale Magazin am Ende zu strukturiert für seinen Stadtteil. Aber das stört nicht. Selbst der ortsfremde Leser wird ein wenig zum Neuköllner.
Die interaktive dokumentarische Webserie "netwars / out of CTRL" erzählt in fünf Episoden vom drohenden Cyberkrieg – und von den Attacken, die bereits passieren. Fiktion wird mit journalistisch recherchierten Fakten kombiniert, die lineare Struktur der moderierten Dokumentation immer wieder von frei ansteuerbaren Elementen mit Hintergrundinformationen in Form von Dossiers oder Experteninterviews unterbrochen.
Die Webdoku ist Teil eines umfassenden Crossmedia-Projekts, zu dem auch eine interaktive Graphic-Novel-App gehört.
Preis verliehen für Buch, künstlerische und technische Umsetzung
Internetadresse: netwars-project.com/de/webdoc
Anbieter: filmtank, ZDF/ARTE, Heise
Verantwortliche Personen: Sebastian Baurmann (Umsetzung), Michael Grotenhoff (Buch und Umsetzung), Hendrik Hölzemann (Buch), Saskia Kress (Umsetzung), Timo Langpeter (Umsetzung), Alexander von Lukowitz (Buch), Lena Thiele (Buch und Umsetzung), Nico Zimmermann (Umsetzung),
Mitwirkende: Sabine Bubeck-Paaz (Redaktion), Sean Colemann (Autorenschaft Graphic-Novel-App), Marcel Kolvenbach (Autorenschaft dokumentarisches Material), Verena Klinke (Autorenschaft Graphic-Novel-App), Felix Mertikat (Creative Direction, Art Graphic-Novel-App), Kay Meseberg (Redaktion)
Freitag, 15. Mai 2015. Die Nachrichtenagentur dpa schreibt: "Cyberangriff auf den Bundestag – Bis dato unbekannte Täter haben das interne Datennetz des Deutschen Bundestags attackiert. Der Vorfall wird von Spezialisten als schwerwiegend bezeichnet." Aber nicht nur die Regierung ist betroffen, so ein Angriff richtet sich im Prinzip gegen jeden Einzelnen. Und es stellt sich die Frage: Ist das Krieg? Leben wir im Krieg? Bin ich in Gefahr?
“netwars / out of CTRL“ lässt den Nutzer in fünf interaktiven Film-Episoden darauf seine eigene Antwort erleben, geführt durch die direkte und eindringliche Ansprache eines Protagonisten, dessen Nähe verstörend und anziehend zugleich ist. Die Barriere Bildschirm scheint sich aufzulösen, dem Nutzer wird distanzlos, fast übergriffig sein digitaler Fingerabdruck ins Bewusstsein gerufen. Ohne echten Hack, aber dennoch eindrucksvoll, sensibilisiert "netwars / out of CTRL" für essentielle Themen des Internet-Zeitalters wie Vertrauen und Transparenz, liefert dabei aber auch Hilfe zur digitalen Selbsthilfe, wenn es darum geht, die eigene Internetnutzung sicherer zu gestalten. Darüber hinaus wird ein stimmiges und realistisches Zukunftsszenario eines Cyberkriegs gezeichnet, bestehend aus Fakten und Fiktion, interaktiv in Text und Bild und Expertenmeinungen mit O-Ton, zu denen man direkt auf Twitter antworten kann.
Die Jury wünscht sich die Fortführung der Episoden, damit "netwars / out of CTRL" ein allzeit aktuelles Lehrstück bleibt, denn auch die Bedrohung bleibt gegenwärtig.
Im Museum möchte man Kunstwerke ansehen, keine langen Erläuterungen lesen. Deshalb hat das Städel Museum zur Schau "Monet und die Geburt des Impressionismus" ein "Digitorial" entwickelt, das die Vorbereitung auf den Museumsbesuch ermöglicht.
An Werken von Claude Monet wird die Geschichte des Impressionismus erläutert, ausklappbare Texte erlauben es, weiter in die Tiefe zu gehen und Bildausschnitte lenken die Aufmerksamkeit auf Details. Zitate von Zeitgenossen sowie der spielerische Umgang mit Bildformaten lockern das Angebot auf.
Preis verliehen für Konzept, Redaktion und Umsetzung
Internetadresse: monet.staedelmuseum.de
Anbieter: Städel Museum
Verantwortliche Personen: Dominic Bäuerle (Umsetzung), Chantal Eschenfelder (Konzept und Redaktion), Silke Janßen (Konzept und Redaktion), Antje Lindner (Konzept und Redaktion), Alexander Philipp (Umsetzung), Sabrina Rether (Umsetzung), Lisa von Schönfeldt (Umsetzung), Kathleen Sterzel (Umsetzung), Jakob Schwerdtfeger (Konzept und Redaktion)
Menschen, die auf Pfirsiche starren: Selten hat ein Angebot in der Kategorie “Kultur und Unterhaltung“ hochwertige Inhalte und elegante Form so sinnvoll vereint. Während immer mehr Museumsportale geballte und des Öfteren überbordende Informationsberge aufschichten, besticht das Digitorial zur Ausstellung “Monet und die Geburt des Impressionismus“ durch die Reduktion auf eine Epoche und seine Maler, von Monet bis Renoir. Die aktuelle Ausstellung des Städel Museums wird im Web mit einer ganz eigenen, schlichten Ästhetik aufbereitet.
Der gezielte Einsatz von Technologien leitet den Blick dabei spielerisch auf die wichtigen Details. So entdecken die Besucher die Geschichte dieser Kunstepoche ganz für sich und im eigenen Tempo: Bilder entfalten sich vor dem eigenen Auge, Zitate und ansprechende Texte sorgen für die kunsthistorische Einordnung und kompakte Audioinformationen übernehmen die Funktion des Kurators vor Ort. Der Preisträger wirkt aber nicht nur online: Mit schnell zugänglichen Extra-Informationen zur Ausstellung werden die Hürden zum analogen Museumsbesuch abgesenkt. Denn wenn dieser multimediale Vorbereitungskurs schon so einnehmend ist, dann lässt die Ausstellung selbst ebenfalls auf Großes hoffen.
Kurzum: So geht moderne Kunst- und Kulturvermittlung, so funktioniert zeitgemäße Museumspädagogik. Die Jury begrüßt es ausdrücklich, wenn dieses Format weitergeführt wird – und in künftigen Digitorials nicht nur die großen Namen, sondern auch weniger bekannte Künstler vorgestellt werden.
Abseits des Mainstreams verbindet "Hyperbole TV" gesellschaftlich relevante Themen mit Unterhaltung und Witz und schafft so einen außergewöhnlichen YouTube-Kanal mit großer Vielfalt.
Gestartet als Teil eines Forschungsprojektes der Leuphana Universität Lüneburg hat der Kanal eine stetig wachsende Community. Ernste Themen wie posttraumatische Belastungsstörungen haben hier genauso ihren Platz wie die Kommentiershow "Disslike" zu Netz-Kommentaren oder "Frag ein Klischee", das Vorurteile wortwörtlich in Frage stellt.
Preis verliehen für Gesamtverantwortung und Redaktion
Internetadresse: www.hyperbole.de
Anbieter: Hyperbole TV, Innovations-Inkubator der Leuphana Universität Lüneburg in Kooperation mit Styleheads GmbH
Verantwortliche Personen: Bastian Asdonk (Gesamtverantwortung), Alisa Ehlert (Redaktion), Tobias Goltz (Redaktion), Benjamin Kahlmeyer (Redaktion), Vanessa Schneider (Redaktion)
Mitwirkende: Tim Förster (Produktion), Philip Glauner (Produktion), Sara Mohaupt (Produktion), Niklas Olscha (Produktion), Patricia Sack (Produktion), Moritz Stumm (Produktion)
Hand aufs Herz: Wer ist eigentlich politisch korrekt? Richtig, alle. Und trotzdem kitzeln uns auch mal solche Fragen, die nach Vorurteil, nach Klischee klingen: Wie fühlt sich eine Depression wirklich an? Passen Kopftuch und Schminke überhaupt zusammen? Und wie läuft eigentlich so ein Friseur-Besuch ab, wenn man am Tourette-Syndrom erkrankt ist? All das und vieles mehr erfahren wir bei "Hyperbole TV", dem Videonetzwerk für die digitale Generation.
Mit insgesamt neun Video-Formaten bieten die Macher ihrem Publikum zielgruppengerechte Informationen, Unterhaltung und vor allem: Diskussionsstoff. Denn Diskussionen zu politischen und gesellschaftlichen Fragen, das ist das erklärte Ziel der Macher. Aktuelle Themen werden pointiert und modern in Bewegtbild übersetzt, der Diskurs dazu über sämtliche Social-Media-Kanäle angefeuert und das Feedback wiederum in die eigenen Formate eingespeist. Das Besondere: Die Debatten- und Kommentarkultur bleibt sachlich, fair und selbstregulierend – egal, ob sich die Nutzer über posttraumatische Belastungsstörungen eines Bundeswehr-Veteranen auseinandersetzen oder sich gegenseitig erklären, was ein Oxymoron ist.
Neben den Inhalten ist die Jury überzeugt von der frischen Ästhetik, der Experimentierfreude und der eigenen Sprache dieses noch jungen Angebots – kein Wunder, dass es bereits mit klassischen Medien wie der Süddeutschen Zeitung kooperiert. Denn auch wenn "Hyperbole TV" noch ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt ist, besticht es bereits durch Professionalität, Vielfalt und interessante Gäste von Gysi bis Böhmermann.
Die Geschichte einer Liebe. Oder einer Ehe? Die Schweizerin Lena und der Senegalese Mamour, der ohne Papiere in der Schweiz lebt, heiraten – und Dominik Galliker ist für seine Multimediareportage "Mamour, mon amour" dabei.
Die kurzen, einfühlsamen Texte beschreiben den Tag der Hochzeit sowie die Geschichte der Beziehung, die Unsicherheit Lenas und das Drängen Mamours, damit sie gemeinsam ein angstfreies Leben führen können. Videos der Protagonisten und der Hochzeitsgäste und Schwarz-Weiß-Fotos vervollständigen das Stimmungsbild.
Preis verliehen für Konzept, Autorenschaft und Umsetzung
Internetadresse: mamour.ch
Anbieter: BZ Berner Zeitung
Verantwortliche Personen: Daniel Barben (Umsetzung), Dominik Galliker (Konzept, Autorenschaft und Umsetzung), Enrique Muñoz García (Umsetzung)
Wie die Liebe ist auch dieses "Scrollytelling" ein kleines Wunder. Sein Inhalt ist klassischer Stoff: eine Liebesgeschichte. Und die Form ist genial: Der Nutzer wird gezwungen, 161 Einzelfolien durchzuklicken bis zum großen Versprechen.
Das Angebot zwingt einen, Seite für Seite nach vorne zu scrollen, und der Nutzer hat keine Möglichkeit, mit Hilfe der Navigation zum Ende der Geschichte zu springen. Diese beabsichtigte Beschränkung macht ungeduldig, weil es zur Gewohnheit geworden ist, rumzusurfen, zu klicken, zu springen, die Interaktion zu steuern. Bei der Schweizerin Lena und dem Senegalesen Mamour, der ohne Papiere in der Schweiz lebt, geht es auch um das Warten und um das Ungewisse, die mangelnde Kontrolle, das Schicksal eines Flüchtlings. Ja oder Nein? Vor oder zurück? Diese Geschichte zieht einen in ihren Bann. Schnell wird deutlich, dass die reduzierte Form, der Zwang der Linearität, unmittelbar im Zusammenhang mit der Geschichte steht. Somit hat nicht nur die einfühlsam erzählte, auf das Wesentliche konzentrierte Lovestory die Jury begeistert, sondern auch die außergewöhnliche Erzählform, die die lineare Form als Stilmittel einsetzt.
Das Web-Experiment besticht durch seine Texte, Audios, Videos und herausragenden Fotos. Der Schwarz-Weiß-Wechsel der Seiten ist ein einfaches, aber elegantes Mittel, das nicht nur die Protagonisten repräsentiert, sondern auch die Gegenwart (weiß) und die Vergangenheit (schwarz) beleuchtet. Diese Reduzierung erzeugt größtmögliche Wirkung: es wird Nähe hergestellt. Dadurch wird "Mamour, mon amour" zum Appell, bis zum Ende durchzugucken, genau hinzusehen und auf Zwischentöne zu achten.
Eine Reise auf der legendären Nordwestpassage zwischen Nordpol und Kanada ist kein alltägliches Ereignis. Die Video-Webdokumentation "Polar Sea 360°" von ARTE nimmt den Nutzer mit in die Arktis – in der Rundumsicht.
Mithilfe der 360°-Technologie kann der Nutzer dorthin blicken, wo er gerade möchte, das sich rasant ändernde Leben der Inuit vor Ort selbst erkunden und Wissenschaftler bei ihrer Forschungsarbeit begleiten. So werden die Auswirkungen des Klimawandels auch für Daheimgebliebene unmittelbar erfahrbar.
Preis verliehen für Regie, Redaktion und Produktion
Internetadresse: polarsea360.arte.tv/de
Anbieter: ARTE und ZDF in Zusammenarbeit mit TVO, Bell Fund, Deep Inc., Primitive Entertainment, Ryerson University, Knowledge Network
Verantwortliche Personen: Wolfgang Bergmann (Redaktion), Christian Cools (Redaktion), Marita Hübinger (Redaktion), Kay Meseberg (Redaktion), Irene Vandertop (Produktion), Thomas Wallner (Regie), Stephanie Weimar (Regie)
Die Video-Reisereportage “Polar Sea 360°“ erschließt ihrem Publikum eine neue Dimension. Die mittels 360°-Technologie realisierte interaktive Webdokumentation erzeugt eine Atmosphäre der Unmittelbarkeit und lässt Nutzer ganz nah eine Region erleben, die besonders stark von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen ist.
Gekonnt werden die technischen Möglichkeiten der virtuellen Realität ausgeschöpft und mit klassischen Reportage-Elementen kombiniert. Konventionelle Sehgewohnheiten werden gesprengt, da der Nutzer selbst die Kameraführung bestimmen und den Blick auf jene Bereiche lenken kann, die ihm besonders sehenswert erscheinen. Hier wird Dokumentation zum Erlebnis und bringt so die Inuit-Kultur und das Ökosystem der Polarregion auf außergewöhnlich intensive Art näher. Bäume in der Arktis – noch ist die in der Webdokumentation per 3D-Computergrafik erzeugte Szenerie eine Simulation. Fiktion sind derlei Veränderungen schon länger nicht mehr. In eindrucksvollen Bildern dokumentiert “Polar Sea 360°“ den Rückgang des arktischen Meereises, der in den vergangenen Jahren dramatische Ausmaße angenommen hat. Die mythenumwobene Nordwestpassage, bislang nur von wenigen Polarforschern durchquert, könnte schon bald dauerhaft eisfrei sein.
Auch das zur Reportage gehörige, umfassende Reise-Logbuch führt dem Besucher vor Augen, welche Auswirkungen die globale Erderwärmung auf das Leben der Menschen und Tiere in der nordpolaren Region hat. “Polar Sea 360°“ macht den Klimawandel sichtbar und ermöglicht – eindrücklich auch per zugehöriger Smartphone-App und mit VR-Brille - ganz genau hinzuschauen, wie sich die Erde wandelt.
In der Drogenszene ist Shore ein Synonym für Heroin. Mittlerweile in der fünften Staffel liefert der YouTube-Channel "zqnce" jeden Mittwoch zwei bis drei neue Folge der Reihe "Shore, Stein, Papier", in der Ex-Junkie "Sick" mit Kaffee und Kippe am Küchentisch Episoden aus seinem Leben als Süchtiger erzählt. Und das sehr direkt und ehrlich. Das Angebot liefert fernab der üblichen Webvideo-Formate einen authentischen Protagonisten in einem ungekünstelten Setting und wirkt so ohne erhobenen Zeigefinger abschreckend.
Internetadresse: www.shore-stein-papier.de
Anbieter: zqnce
Idee, Konzept: Ramon Diehl
Redaktion: Paul Lücke
Produktion: Ramon Diehl, Benjamin Staffe, Andreas Szczurowski
Protagonist: Sick