In der Kölner Flora fand am 22. Juni die 18. Preisverleihung des Grimme Online Award statt und damit genau an der Stelle, wo vor achtzehn Jahren alles begann: Fast dreihundert Gäste feierten ein Geburtstagsfest für Qualität im Netz und natürlich die Preisträgerinnen und Preisträger, die zahlreichen Nominierten sowie Prominente aus Netz und Gesellschaft.
Eröffnet wurde die Gala von Grimme-Direktorin Dr. Frauke Gerlach, die dem Abend einen politischen Grundton verlieh und sich kritisch mit den aktuellen Überlegungen auf EU-Ebene zur Urheberrechtsreform auseinander setzte und sich gegen Uploadfilter aussprach.
Nathanael Liminski, Staatssekretär für Medien und Chef der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen, lobte die Nominierten in seiner Begrüßung und machte Ihnen Mut: „Sie sind Vorbilder und sie finden hier im Saal viele Mitstreiter und Unterstützer. Lassen Sie sich heute feiern – Sie haben es verdient!“
In der von Daniel Bröckerhoff moderierten Gala überreichten schließlich prominente Preispatinnen und -paten die begehrten Trophäen an die acht Favoriten der Jury und den Liebling des (Netz-)Publikums, musikalisch begleitet durch die mitreißende Pop- und Soulstimme von Stefanie Heinzmann.
Ihre Stimme lieferte den Klangteppich für einen Abend, der immer wieder starke publizistische Frauenstimmen im Netz feierte: Von Frauen – nicht nur – für junge Frauen ist das WDR Angebot „Mädelsabende“ auf Instagram. Hier präsentiere sich aber kein sozial-medialer Appendix eines Rundfunkformats, so die Jury in ihrem Statement, sondern, vor allem mit Blick auf das populäre Storys-Format, „eine eigenständige publizistische Leistung. Angesichts der heutigen Relevanz von Instagram ein auszeichnungswürdiger Ansatz!“ Die Macherinnen erhielten ihren Preis aus den Händen der Comedienne Idil Baydar, die als Gerda Grischke und Jilet Ayse auf YouTube bekannt wurde, und sich sehr angetan von ihren Preisträgerinnen zeigte: „Besonders gefällt mir, dass sie eine Kommunikationsfläche für junge Mädchen bieten! Es wird Zeit, dass wir unsere eigene Geschichte erzählen."
Ohne Anker im Linear-TV kommt auch der YouTube-Kanal „maiLab“ aus, Preisträger in der Kategorie Wissen und Bildung und angesiedelt beim ARD-ZDF Jugendangebot funk: Hier erläutert die promovierte Chemikerin Mai Thi Nguyen-Kim verständlich und unterhaltsam wissenschaftliche Zusammenhänge, ausgehend von Alltagsproblemen. Der Ton bleibe dabei ungemein leicht, so die Jury in der Begründung, „ohne dass man je das Gefühl hat, dass sie sich vor den schwierigen Aspekten ihrer Themen drücken. Das wirkt geradezu schwerelos, aber dahinter steckt hohe, preiswürdige Kunst.“ Mai Thi Nguyen-Kim und die Redakteurin Melanie Gath erhielten ihren Preis aus den Händen von RTL-Nachrichtenmoderatorin Charlotte Maihoff und für den Abend Preispatin für die Kategorie Wissen und Bildung. Kritik komme hier von unerwarteter Seite: „Also meine Wissenschaftskollegen finden unsere Videos gut“, so Nguyen-Kim, aber „meine Medienkollegen wundern sich“, so die Macherin im Bühnengespräch.
Mit wissenschaftlichen Themen überzeugen ebenfalls die „RiffReporter“, denen Maihoff einen weiteren Preis verlieh. Sie überzeugen nicht nur mit ihren Inhalten, sondern auch mit einer zukunftsweisenden Finanzierungsform: eine Genossenschaft, bei der Nutzer Mitglieder werden können. „Die „RiffReporter“ leisten damit nicht nur einen Beitrag zur Sicherung des Qualitätsjournalismus im Netz, sondern auch zur Sicherung der Existenz freier Autoren“, lobt die Jury in ihrer Begründung und vergibt einen Preis an die „RiffReporter“ in der Kategorie Wissen und Bildung.
Der YouTube-Kanal „Sommers Weltliteratur to go“ könnte auch in der Kategorie Wissen und Bildung unterkommen, vermittelt er doch Bildung auf ungemein unterhaltsame Art. Qua Webvideo erklärt der Dramaturg Michael Sommer – „mit Liebe zum Detail und großem Playmobil-Ensemble“, so die Jury – die ganz großen Geschichten und braucht dafür in den Regel weniger als eine Viertelstunde. „Die künstliche Trennung von E- und U-Kultur ist aufgehoben: Was Michael Sommer hier gelingt, ist ernsthafte Unterhaltung. Einfach brillant“, urteilt die Jury in ihrer Begründung und vergibt einen Preis in der Kategorie Kultur und Unterhaltung. Laudator Wotan Wilke Möhring fragte nur: „Warum das Ganze nicht schon vor 25 Jahren, was hätte man alles mit der gesparten Zeit anfangen können?“
„Ernsthafte Unterhaltung“ könnte auch das Projekt des 37. Abschlussjahrgang der Henri-Nannen-Journalistenschule etikettiert werden. „Ein deutsches Dorf“ berichtet über das scheinbar allzu bekannte Leben jenseits der Großstadtmetropolen, „ohne dass sich die Autoren über ihre Protagonisten erheben würden“, so die Jury. Überzeugend fand sie dabei vor allem die „Zurückhaltung bei der Multimedialität zu-gunsten des eigentlichen Inhalts und des preiswürdigen redaktionellen Konzepts.“
Mit einem preiswürdigen redaktionellen Konzept kann auch „Deutschland spricht“ von Zeit Online aufwarten, wo mittels eines Algorithmus vor der Bundestagswahl gänzlich unbekannte und politisch kontroverse Paare für ein Gespräch zusammengebracht wurden – nochmal ein anderer Blick auf unseren bundesdeutschen Alltag. Die resultierenden Begegnungen wurden journalistisch aufbereitet und „setzen einen wichtigen Kontrapunkt zu den teils erbittert geführten Debatten im Netz, der den Beteiligten neue Erkenntnisse zum Meinungsgegenüber offenbarte“, so die Jury über den Preisträger in der Kategorie Spezial, die ihre Trophäe erhielten aus den Händen von Laudator Jochen Schropp.
Um die bewegten und bewegenden Jahre um 1900 geht es dagegen beim Webangebot des Hamburger Museums für Kunst und Gewerbe: In „Bewegte Jahre – auf den Spuren der Visionäre“ nimmt uns ein erfundener Reporter in eine Zeit der ästhetischen Umbrüche mit – die unter anderem den „Jugendstil“ hervor brachte –, gestalterisch souverän umgesetzt und sogar barrierefrei, „eine preiswürdige Teamleistung“ befindet die Jury über den Preisträger in der Kategorie Kultur und Unterhaltung – und weit mehr als Ausstellungsführer!
Barrierefreiheit ist Raul Krauthausens Thema oder vielleicht noch eher die weiteren Perspektiven einer inklusiven Gesellschaft. Sie in den Bick zu nehmen versucht er immer mit, durch und für das Netz, was seine Ideen bereits mehrfach in die Debatten der Kommissionen und Jurys des Grimme Online Award getragen hat. Mit einem Preis in der Kategorie Spezial bedenken sie seine „persönliche Leistung“, die ebenfalls Laudator Jochen Schropp überreichte.
Was am Ende auffiel: kein Preis in der Kategorie Information. Der Juryvorsitzende Kai Heddergott erklärte im Bühnengespräch mit der Vorsitzenden der Nominierungskommission Kübra Gümüsay, dass wolle er nicht als inhaltliches Signal verstanden wissen: „Aus den Vorschlägen, die uns durch die Vorarbeit der Nominierungskommission vorlagen – also nochmal danke an Euch! -, haben wir dieses Jahr die maximale Zahl an Preisträgern identifiziert und zufällig ergab es sich, dass keiner aus der Kategorie Information kam."
Nicht verantwortlich war die Jury für den Publikumspreis, überreicht durch Stefanie Heinzmann. Den gewann der YouTube-Kanal „maiLab“, nachdem die Macherinnen das Publikumsvoting für sich entscheiden konnten – die passende Abrundung für den Abend der starken Frauenstimmen im Netz.