Die Verleihung des Grimme Online Award setzte mit ihren Preisträgerinnen und Preisträgern ein Zeichen für die Kraft der Netz-Communities, die am Abend des 19. Juni in der Kölner Flora stattfand. Im Gegensatz zur oftmals eher gemeinschaftszersetzenden Kommunikationskultur im Netz, lenkte die Preisverleihung den Blick auf die hochwertigen und oftmals demokratieförderlichen Angebote im Netz – vor allem jenseits der großen Medienmarken.
Eröffnet wurde die Gala durch Grimme-Direktorin Dr. Frauke Gerlach, die dem Abend einen politischen Grundton verlieh und deutlich machte: „Das Netz hat die kommunikativen Spielregeln der Politik unwiderruflich geändert.“ Neben der Straße habe jede gesellschaftliche Bewegung mit den sozialen Medien ein wirkmächtiges Instrument: „Dies befruchtet den demokratischen Diskurs. Aber wir sind auch mit Hass und Hetze konfrontiert, die in Gewalt münden kann“, so Gerlach weiter. Darauf müsse sich die Politik und die Gesellschaft in jeder Hinsicht einstellen, um zu fordern: „Wir brauchen gemeinsame, neue Spielregeln, auch wehrhafte.“
Und Nathanael Liminski, Staatssekretär für Medien und Chef der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen, zitierte den Bundespräsidenten: „Wo die Sprache verroht, da ist die Straftat nicht weit“, deshalb dürfen wir das Netz nicht den Hassern und Hetzern überlassen, so Liminksi, im Gegenteil: „Illegale Inhalte müssen konsequent verfolgt und die Urheber zur Rechenschaft gezogen werden. Und wir müssen die neuen Kommunikationsmöglichkeiten dazu nutzen, laut Stellung zu beziehen.“
Nach dem ernstem Auftakt standen die Preisträgerinnen und Preisträger im Mittelpunkt. In der von Siham El-Maimouni moderierten Gala überreichten prominente Preispatinnen und -paten die begehrten Trophäen an die acht Jury-Favoriten und den Liebling des (Netz-)Publikums. Musikalisch begleitet durch die experimentellen Klänge von Kaleo Sansaa – ein Mix aus Hip-Hop, Indie, Soul und Dub – und in Anwesenheit von 280 Gästen.
Wer gehörte zu den Glücklichen? Etwa das Gemeinschaftsblog „Techniktagebuch“, welches seit über fünf Jahren die Veränderungen in der uns umgebenden Alltagstechnik beschreibt und reflektiert – Ergebnis der Arbeit von über 450 Autorinnen und Autoren. Mehr als doppelt so viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer beteiligten sich am Gemeinschafts-Rechercheprojekt „Wem gehört Hamburg?“, welches initiiert und durchgeführt wurde vom „Hamburger Abendblatt“ und dem Recherchekollektiv „Correctiv“. Ergebnis: mehr Transparenz im Hamburger Wohnungsmarkt und ein Vorbild für andere Recherchen, lobt die Jury:
„Das Konzept des Crowd-Newsrooms ist für andere Städte, in denen man Gleiches untersucht, adaptierbar – und bietet mit seiner netzpublizistischen Aufbereitung auch in Partnermedien die Grundlage für die Debatte zu einem gesellschaftlich hoch relevanten Thema.“
Dass starke Gemeinschaften auch für die Finanzierung von Angeboten herangezogen werden können, zeigen hingegen die „Krautreporter“ und auch „Buterbrod und Spiele“. Letzteres ist das Ergebnis einer crowdfinanzierten Recherchereise im zeitlichen Umfeld der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Russland. „Buterbrod und Spiele“ kann aber auch als Beispiel herangezogen werden für ein eher „kleines“ Angebot, hinter dem kein großes Medienhaus steht – und doch Vorbildliches produziert wird. In den Worten der Jury:
„In diesem Jahrgang [haben sich] die Angebote durchgesetzt […], die abseits der großen Häuser entstanden sind, als Teamwork oder von Einzelpersonen, manches Mal mithilfe der Crowd, immer mit viel Leidenschaft und oft ohne große Ressourcen.“
Belegen lässt sich dies – auch – anhand des „Mensch Mutta.“ Podcasts, der Videoessays des YouTube-Kanals „Ultralativ“ und des ebenfalls ausgezeichneten, kanalübergreifenden Satire-Formats „Krieg und Freitag“. Ein weiterer Preis ging an die Jugendnetzkonferenz TINCON, die das Internet mit Blick auf die nachwachsende Generation zum Thema macht und so „einen Diskursraum für junge Menschen zwischen 13 und 21 Jahren“ eröffnet, so die Jury. Das Publikumsvoting konnte am Ende der You-Tube-Kanal „Einigkeit & Rap & Freiheit“ (sendefähig für funk) für sich entscheiden, der bereits in diesem Jahr für den Grimme-Preis nominiert war.