Grimme Online Award in der Kölner Flora verliehen

„Hochwertige Online-Publizistik“

Heute wurde der Grimme Online Award verliehen, der Preis für publizistische Qualität im Netz. Vergeben wurden acht (Jury-) Preise, gekürt wurde aber auch der Gewinner des Publikumsvotings. Rund 300 Anwesende feierten und fieberten mit – Nominierte, Preisträger und Gäste. Auszeichnungen gingen an Online-Angebote etablierter Medienhäuser, aber auch an „kleinere“ Angebote, die vielfach ohne Redaktion und gestalterisch/technischen Support auskommen (müssen). Es sind die Besten aus über 800 Einreichungen, die überzeugen konnten durch vorbildliche Gestaltung, Informationstiefe und teils überraschende, immer wieder vielfältige Perspektiven auf unsere Gesellschaft.

„Die prämierten ebenso wie die nominierten Angebote zeigen die kreativen Möglichkeiten des Storytellings und crossmedialen Arbeitens in überzeugender Weise. Sie verdeutlichen eindrucksvoll, dass sich Qualitätsjournalismus und die Dynamik des Netzes nicht ausschließen“ so Grimme-Direktorin Dr. Frauke Gerlach. Eine gesellschaftliche Dimension kommt hinzu: „Für unser kulturelles, politisches und gesellschaftliches Miteinander sind hochwertige Angebote, die ein Gegengewicht zu Polarisierung und Populismus bilden, wichtiger denn je,“ so Gerlach. Und das im Geburtstagsjahr des Instituts: Grimme wird 50 in 2023.

„Wieder zeigt uns der Grimme Online Award, dass wir in Deutschland eine hochwertige Online-Publizistik haben. Und das ist eine gute Nachricht, die wir vor allen Dingen den Nominierten verdanken“, so Nathanael Liminski, Chef der Staatskanzlei NRW und Staatsekretär für Medien, in seinem Video-Grußwort.

Durch den Abend führte als Moderator Thilo Jahn, u. a. Moderator des Kulturmagazins „Westart“ sowie Radiomoderator für Deutschlandfunk NOVA und WDR2 unterwegs, der 2015 einen Grimme-Preis gewinnen konnte. Für die musikalische Untermalung sorgte die Schauspielerin und Kabarettistin Gisa Flake – am Piano begleitet von Thomas Bode -, die auch als Laudatorin aktiv war.

Weitere Laudator*innen an diesem Abend: Journalist und Autor Gert Scobel, im vergangenen Jahr nominiert und Gewinner des Publikumsvotings, die deutsch-iranische Stand-Up-Künstlerin und Aktivistin Enissa Amani, 2021 ausgezeichnet in der Kategorie „Spezial“, der freie Autor und Journalist Hasnain Kazim, die Schauspielerin und Aline Abboud, Moderatorin u.a. für die Tagesthemen und als Redakteurin aktiv.

Und wie Nathanael Liminski in seinem Video-Grußwort bei der Preisverleihung bereits andeutete: Erinnern im Netz, war eines der Themen an diesem Abend – etwa im Falle der multimedialen Ausstellungsdokumentation „TO BE SEEN. queer lives 1900-1950“ vom NS-Dokumentationszentrum München, welches die erstaunliche Vielfalt queeren Lebens in Deutschland anhand einzelner Persönlichkeiten zeigt und einen Preis in der Kategorie Kultur und Unterhaltung erhielt. Die Jury lobt hier vor allem den Mut zur Ambivalenz. Heraus kommt „eine kluge Auswahl an Medien und Mitteln, um gegenwärtigen Zeitgenoss*innen ein umfassendes Bild von den Modernen der Vergangenheit, von den Brüchen und Kontinuitätslinien zu geben, die die Vorgeschichte der laufenden Echtzeit bilden.“
 
Um das Erinnern im Netz geht es auch bei „Stolpersteine NRW“ vom WDR. Eine Kombination aus digitalen Karten und persönlichen Geschichten ermöglicht ein Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus und eine Auseinandersetzung mit unserer Vergangenheit: „Die Inhalte sind hervorragend recherchiert und geben einen umfassenden Einblick in das Leben und Schicksal der Deportierten“, so die Jury, aber auch die Usability kann sie überzeugen: „Die Navigation in jeweils komplementär wirkender App und Website ermöglicht eine unkomplizierte Nutzung, ob zu Hause am Laptop oder vor Ort auf einer der vorgeschlagenen Routen mit dem Smartphone.“ Der Preis in der Kategorie „Wissen und Bildung“ wird dabei auch für das Potenzial einer Ausweitung auf andere Regionen vergeben.
 
In der gleichen Kategorie, thematisch noch etwas dichter an der Gegenwart, wird das facettenreiche Scrollytelling „Im Takt. Wege in den Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau“ ausgezeichnet, welches von der gleichnamigen Gedenkstätte veröffentlicht wurde: „Eindrücklich vermittelt die gute Aufbereitung die Heimtücke und die Bösartigkeit des Heimsystems in der ehemaligen DDR, ohne zu dramatisieren“, heißt es in der Begründung der Jury.

Den Bogen von Vergangenheit in die Gegenwart spannt der Content-Creator Stève Hiobi mit seinem TikTok-Kanal „DeinBruderStève“, hier geht der Blick Richtung Süden. In weniger als zwei Minuten informiert er seine vornehmlich jungen User*innen über die Geschichte des deutschen Kolonialismus in Afrika, politische Ereignisse der Gegenwart und die vielen unterschiedlichen Kulturen dieses großen Kontinents: „Seine unaufgeregte Erzählart und sein erkennbares Wissen verleihen ihm Glaubwürdigkeit in einem durchrauschenden Medium voller schneller Schnitte. Fakten und Meinung bringt Stève Hiobi verständlich, unterhaltsam und informierend dar“, so die Jury in ihrer Begründung und vergibt einen Preis in der Kategorie Information.

Als Vorreiter für inklusive Angebote erhält der Instagram-Kanal „Hand drauf“ von funk eine Auszeichnung in der Kategorie Kultur und Unterhaltung. Die Deaf Community bekommt hier informative und unterhaltsame Videos in Deutscher Gebärdensprache, die oft auch Themen behandeln, die gehörlose Menschen betreffen und bei denen es an barrierearmen Informationen mangelt. Mit Untertiteln wird die sogenannte Mehrheitsgesellschaft, also Hörende, inkludiert. Die Jury ist begeistert: „Das ist Inklusion: Anderen die Teilhabe an der eigenen Lebenswirklichkeit und dem eigenen Blick auf die Welt zu ermöglichen, um letztlich die Abgrenzung zu verkleinern.“

Teilhabe ermöglichen auch Angebote, die Kompliziertes verständlich machen und – im besten Fall – Missstände aufdecken, um Handeln zu ermöglichen. Hierfür wurden drei intensive Recherchen ausgezeichnet, etwa die Multimedia-Reportage „Schwangerschaftsabbruch in Deutschland“ von CORRECTIV.Lokal in der Kategorie Information, die Podcast-Serie „Teurer Wohnen“ von detektor.fm und radioeins vom rbb, ebenfalls in dieser Kategorie, und das schweizerische Angebot: „Das Ende vom ewigen Eis“, produziert von DAS MAGAZIN (Tamedia) ausgezeichnet in der Kategorie Wissen und Bildung. Die Jury erklärt hierzu in ihrer Begründung: „Der lesenswerte Inhalt und dessen kluger Aufbau tragen durch die fast schon provokative Länge des Textes, die lockere Sprache bietet eine kurzweilige Leseerfahrung und die richtige Wahl der Worte lässt die Rezipient*innen weiterlesen – immer auf der Suche nach mehr Information und stellenweise auch Unterhaltung.“

Aber nicht nur die Jury durfte Preise vergeben, denn die Internetnutzer*innen konnten im Vorfeld für ihre Favoriten beim Publikumsvoting abstimmen. Der Sieger in diesem Jahr erscheint wie ein Korrespondent aus der Zukunft. Überzeugt hat das Publikum der wissenschaftsjournalistische YouTube-Kanal „Doktor Whatson“, auf dem Themen rund um Physik, Umwelt, Philosophie, Nachhaltigkeit und Technologie detailliert und verständlich behandelt werden. Cedric Engels und sein Team durften sich deshalb über den diesjährigen Publikumspreis freuen.

Christof Gertsch und Mikael Krogerur für "Das Ende vom ewigen Eis". Moderator Thilo Jahn. Foto: Arkadiusz Goniwiecha / Grimme-Institut
Christof Gertsch und Mikael Krogerur für "Das Ende vom ewigen Eis". Moderator Thilo Jahn. Foto: Arkadiusz Goniwiecha / Grimme-Institut
Moderator Thilo Jahn, Yvonne Günther, Jens Grau und Mike Plitt für "Im Takt: Wege in den Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau". Foto: Arkadiusz Goniwiecha / Grimme-Institut
Moderator Thilo Jahn, Yvonne Günther, Jens Grau und Mike Plitt für "Im Takt: Wege in den Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau". Foto: Arkadiusz Goniwiecha / Grimme-Institut
Mohamed Anwar, Miriam Lenz und Valentin Zick für "Schwangerschaftsabbruch in Deutschland". Foto: Arkadiusz Goniwiecha / Grimme-Institut
Mohamed Anwar, Miriam Lenz und Valentin Zick für "Schwangerschaftsabbruch in Deutschland". Foto: Arkadiusz Goniwiecha / Grimme-Institut
Preispatin Aline Abboud, Charlotte Thielmann, Steen Lorenzen, Stephan Ziegert, Claudius Nießen, Robert Skuppin, Christian Bollert und Benjamin Serdani für "Teurer Wohnen". Foto: Arkadiusz Goniwiecha / Grimme-Institut
Preispatin Aline Abboud, Charlotte Thielmann, Steen Lorenzen, Stephan Ziegert, Claudius Nießen, Robert Skuppin, Christian Bollert und Benjamin Serdani für "Teurer Wohnen". Foto: Arkadiusz Goniwiecha / Grimme-Institut
Preispatin Gisa Flake und Pianist Thomas Bode. Foto: Arkadiusz Goniwiecha / Grimme-Institut
Preispatin Gisa Flake und Pianist Thomas Bode. Foto: Arkadiusz Goniwiecha / Grimme-Institut
Moderator Thilo Jahn und Frauke Gerlach. Foto: Mareen Meyer / Grimme-Institut
Moderator Thilo Jahn und Frauke Gerlach. Foto: Mareen Meyer / Grimme-Institut
Preispate Hasnain Kazim. Foto: Mareen Meyer / Grimme-Institut
Preispate Hasnain Kazim. Foto: Mareen Meyer / Grimme-Institut
Preispatin Gisa Flake und Pianist Thomas Bode. Foto: Mareen Meyer / Grimme-Institut
Preispatin Gisa Flake und Pianist Thomas Bode. Foto: Mareen Meyer / Grimme-Institut
Preispatin Gisa Flake, Nicolas Fleißt, Tobias Hölle, Iris Meinhardt, Toma Kubiliute, Melissa Wessel, Pia Billecke, Preisträger*innen für "Hand drauf", Moderator Thilo Jahn und Gebärdensprachdolmetscher Thorsten Rose. Foto: Mareen Meyer / Grimme-Institut
Preispatin Gisa Flake, Nicolas Fleißt, Tobias Hölle, Iris Meinhardt, Toma Kubiliute, Melissa Wessel, Pia Billecke, Preisträger*innen für "Hand drauf", Moderator Thilo Jahn und Gebärdensprachdolmetscher Thorsten Rose. Foto: Mareen Meyer / Grimme-Institut
Pascal Rausch, Lia Springer, Jakob Göß, Dennis Eckmeier, Jonas Bradtke, Cedric Engels, Leonie Sommer und Carolin Riethmüller für "Doktor Whatson". Foto: Mareen Meyer / Grimme-Institut
Pascal Rausch, Lia Springer, Jakob Göß, Dennis Eckmeier, Jonas Bradtke, Cedric Engels, Leonie Sommer und Carolin Riethmüller für "Doktor Whatson". Foto: Mareen Meyer / Grimme-Institut