Nachdem ein direktes Miteinander drei Jahre lang durch Corona verhindert worden war, hat das Grimme-Institut die diesjährige Nominierungskommission wieder in Präsenz empfangen können – erstmals in der Geschichte des Grimme Online Award im Grimme-Institut selbst. Es waren zwei intensive Tage voller konstruktiver und erkenntnisreicher Diskussionen. Aus einer Vielzahl qualitativ hochwertiger Einreichungen wurden 28 Nominierte ausgewählt. Dabei ergab sich erneut ein starker Schwerpunkt in den Kategorien Information sowie Wissen und Bildung, was den Krisen der Zeit und einem starken Bedürfnis nach Einordnung Rechnung trägt.
Die diesjährigen Einreichungen waren so vielfältig wie das gesellschaftliche Leben in Deutschland und unsere immer globalisierter werdende Welt. Das Netz zeigte sich dabei wieder einmal als Abbild der Wirklichkeit. Die Bandbreite der Themen reichte von den Protesten im Iran, dem Krieg gegen die Ukraine bis hin zum Klimawandel und seinen Auswirkungen, zum Beispiel der Hochwasserkatastrophe in Rheinland-Pfalz und NRW. Auch historische relevante Themen kamen nicht zu kurz, wie etwa Zeitzeugenberichte aus der Epoche des Nationalsozialismus oder die Aufarbeitung der Schicksale von Heimkindern in der DDR. Die Nominierungskommission freute sich über diese Themenbreite ebenso wie über die Vielfalt der Darstellungsformen: von der App über Scrollytellings, interaktive Angebote und Podcasts bis zu Social-Media-Formaten.
Besonders positiv hervorzuheben ist, dass in diesem Jahr viele gute und innovative Projekte von Museen und anderen Kulturinstitutionen eingereicht wurden – sicher auch ein Ergebnis neuer Förderprogramme, die während der Coronapandemie ins Leben gerufen worden waren. Auch diese Angebote haben es unter die Nominierungen für den Grimme Online Award geschafft. Sie können Inspiration dafür sein, wie Ausstellungen ihren Weg in den digitalen Raum finden und damit eine größere Öffentlichkeit erreichen können.
Zwar ist die Plattform TikTok aus Gründen des Datenschutzes und der Intransparenz der Gewichtung von Themen kritisch zu sehen, dessen ist sich die Nominierungskommission bewusst. Doch ist es erfreulich, dass Medienschaffende – und vor allem Einzelpersonen – TikTok dazu nutzen können, Informationen und Hintergrundwissen zu teilen. Dieses Jahr gab es mehr Formate als in den vergangenen Jahren, die sich plattformgerecht mit relevanten Themen auseinandersetzen und ebenso gekonnt wie authentisch für Wissensvermittlung insbesondere bei einer jungen Zielgruppe sorgen. Drei dieser Formate gehen in diesem Jahr als Nominierte in das Rennen um den Grimme Online Award.
Eine ähnliche Entwicklung bezüglich der Qualität lässt sich auch im Bereich Podcast beobachten. Das Medium war, wie in den vergangenen Jahren, stark unter den Einreichungen vertreten – wieder einmal inhaltlich wie auch in der Art der Produktion herausragend. Der Trend zu immer ausgefeilterem Storytelling über sechs bis acht Folgen setzt sich fort. Mit relevanten und gut recherchierten Inhalten können sich aber auch weniger aufwändig produzierte Audio-Projekte durchsetzen, insbesondere, wenn sie ihr Thema kontinuierlich verfolgen. Die Nominierungskommission ist sich einig, dass Podcasts auch in den nächsten Jahren eine zentrale Rolle in der Online-Publizistik spielen werden.
Beeindruckt war die Nominierungskommission auch in diesem Jahr von den Rechercheleistungen, die sich über alle Formate hinweg zeigen. Mit Hartnäckigkeit, konstruktiver Herangehensweise an Fragen und Lösungen sowie mühevoller Kleinarbeit erschließen die Macher*innen ihrem Publikum ihre Themen bis in die Tiefe, fördern teils erschreckende Ergebnisse zutage und übersetzen sie allgemeinverständlich.
Es ist erfreulich, dass fernab von Publikationen durch die Big Player der Branche vor allem auch gute, kreative und innovative Arbeiten von kleineren Medienunternehmen und unabhängigen Medienschaffenden sichtbar wurden. Ebenso wurden in diesem Jahr erneut inklusive Medienprojekte in den Wettbewerb eingereicht, bei denen Menschen mit Behinderung über Themen berichten, die sie besonders betreffen, und diese so allen zugänglich machen. Zwei davon hat die Nominierungskommission in die Auswahl für die Jury genommen. Und bei aller Ernsthaftigkeit in den ausgewählten Themen war die Nominierungskommission doch beglückt, über einige vorgeschlagene Angebote herzhaft lachen zu können. Reine Unterhaltung, insbesondere „auf hohem inhaltlichen und formalen Niveau“, wie es das Statut fordert, ist selten im Wettbewerb. Die Vielzahl dieser Angebote stellte eine erfreuliche Neuerung in den Vorschlägen dar – ein Angebot hat es in die Nominiertenliste geschafft.
Dennoch sind es die ernsten Themen, die den Wettbewerb auch in diesem Jahr geprägt haben. Im Schatten des Krieges in der Ukraine ist es bedauerlich, dass es nur wenige Einreichungen gab, die ukrainische Stimmen und ihre Perspektiven dem Publikum in Deutschland näher bringen. Die Nominierungskommission appelliert daher an die Medienschaffenden und Medienhäuser, innerhalb der Kriegsberichterstattung differenzierte Blickrichtungen und konstruktive Ansätze zum Leben der Geflüchteten in Deutschland zu behandeln. Im Gesamtbild der Einreichungen würde sich die Nominierungskommission schärfere Analysen und konstruktive Kritik und Lösungsansätze in der Behandlung von Themen wünschen. Daher die Aufforderung für nächstes Jahr, sich mit genau diesen Angeboten vermehrt zu bewerben.